Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Phaeriegesichter mit großen, tiefliegenden Augen und scharfen Zügen wandten sich ihm zu, während seine unbarmherzigen Wächter ihn hinter sich her zerrten, bis er schließlich durch eine gewaltige Doppeltür geschoben wurde, die in den Hügel hineinführte.
»Nehmt eure verdammten Hände weg, ihr fremdländischen Bastarde!« fauchte Maya. Doch weder ihr Protest noch ihre heftige Abwehr brachten sie irgendwie weiter – ihre Entführer faßten sie lediglich noch härter an. Als ihr klar wurde, daß in dieser Situation Vorsicht wichtiger war als Kampfgeist, ließ Maya sich fallen und davontragen. »Aber sobald ich ein Schwert in die Hände kriege, wird Hellorin ein paar seiner Untertanen einbüßen«, schwor sie sich grimmig.
Ihre Entführer brachten sie in eine andere Richtung als D’arvan; sie trugen sie um den Hügel herum, und es ging ständig abwärts. Obwohl sie unsanft herumgeschubst wurde, bemerkte Maya, daß die Bäume, je weiter sie nach Norden kamen, immer spärlicher wurden. Die Hänge wurden rauher und unwirtlicher hier, mit steifen Farnen und dornigem Ginster, der überall längs der gewundenen Pfade wuchs. Große, mit grünem, dürrem Moos bewachsene Felsbrocken bohrten sich durch die dünne Erde wie Knochen durch die Haut einer von Krähen aufgepickten Leiche.
Auf der Nordseite war das felsige Antlitz des Hügels an seinem Fuß mit Tunneln durchzogen, die allesamt durch ein verriegeltes Eisentor abgesperrt und von jeweils zwei Phaerie bewacht wurden. Die Krieger trugen gewaltige Speere mit langen Klingen, die dasselbe scharfe, kalte, gnadenlose Licht widerzuspiegeln schienen, das auch aus den Augen der Männer leuchtete. Mayas Entführer wechselten ein paar kurze, unverständliche Worte mit den Wachen, dann wurde sie wie ein lebloses Paket einem anderen Phaerietrupp ausgehändigt. Ihre neuen Wächter steuerten eine der dunklen Öffnungen an und trugen Maya in die Finsternis.
Der Tunnel war feucht, und seine erdigen Seiten sowie das Dach wurden von groben Brettern verstärkt. Zwischen ihnen ragten Baumwurzeln – suchenden Fingern gleich – durch die Ritzen. Die feuchten Holzbretter waren von einer Schicht schleimigen Moders überzogen, dessen grünliches Leuchten die einzige Lichtquelle darstellte. Die Luft war geschwängert von den Düften feuchter Erde und fauliger Blätter, und in diesem unterirdischen Labyrinth herrschte die knochentiefe Kühle des Grabs. Die Stimmen der Phaerie, die sich leise in ihrer eigenen, fremdartig zischenden Sprache unterhielten, klangen tonlos und tot, gedämpft von dem alles absorbierenden Lehm, der sie umgab wie ein erstickendes Leichentuch.
Maya war noch immer wie betäubt von der langen Reise durch die dünne, kalte Luft. Ihre Glieder schmerzten in dem schraubstockartigen Griff der Phaeriewachen, und sie fühlte sich, als würden die Wände und das Dach ihr immer näherkommen. Es war, als versuchten ihre Peiniger sie bei lebendigem Leibe zu begraben. Mit aller Macht kämpfte sie gegen die Panik an, die in ihr aufzusteigen drohte. Wahrscheinlich, so dachte sie, überwand sie dieses Gefühl von Angst und Verzweiflung am besten, indem sie die Augen schloß und ihre Umgebung nicht mehr wahrnahm. Auf diese Weise gelang es ihr vielleicht auch, sich einen Ausweg aus dieser unmöglichen Situation auszudenken.
Nach einer Weile veränderte sich das beinahe lautlose Wispern der weichbesohlten Phaerieschuhe auf dem feuchten Erdboden. Es klang jetzt wie das Schlurfen von Leder über Stein, und die fremdartigen Stimmen hatten ein scharfes, hallendes Echo. Außerdem hielten ihre Entführer sie plötzlich anders, so daß ihr Kopf tiefer hing als ihre Füße, und sie noch heftiger durchgerüttelt wurde als zuvor.
Maya riß die Augen auf. Die Wände des Tunnels waren nicht mehr aus Erde, sondern aus einem roh behauenen Gestein, und sie selbst wurde mit dem Kopf zuerst eine ungleichmäßige Steintreppe hinuntergetragen. Das Treppenhaus wurde von Kristallgloben beleuchtet, die ein warmes, tanzendes, grüngoldenes Licht verströmten, wie Sonnenlicht, das man durch Bäume sah. Am Fuß der Treppe befand sich ein hohes Tor mit Gitterstäben aus gewundenem Eisen, die ein Fortkommen unmöglich machten. An diesem Tor standen zwei weitere Phaeriewachen, und eine davon war eine Frau. Wieder wechselten ihre alten Wachen einige unverständliche Worte mit den neuen. Maya wurde indessen auf den Boden heruntergelassen und festgehalten, während die Phaeriefrau sachkundig ihren Körper
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