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Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara

Titel: Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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einen anderen Menschen. Und Grince brauchte Menschen. Stehlen war das einzige, worauf er sich verstand. Hier draußen konnte er sich nicht ernähren. Er würde kein Lager für die Nacht finden und konnte nicht mal ein Feuer entzünden.
    »Grince? Bist du verletzt?« Eine Hand legte sich auf seine zitternde Schulter. Als Grince aufblickte, sah er, daß Aurian ihn mit Hilfe der großen Katzen aufgespürt hatte. Stirnrunzelnd hockte sie sich neben ihn. »Was ist passiert? Bist du gestürzt?«
    Es dauerte einen Augenblick, bis der Dieb begriff, daß ihr Gesicht nicht Verachtung, sondern Sorge widerspiegelte. »Was interessiert es dich?« brauste er auf.
    »Nun, irgend jemanden muß es wohl interessieren«, gab die Magusch mit derselben Schroffheit zurück. »Dich interessiert es ja offensichtlich nicht.« Sie hielt ihm die Hand hin. »Kommst du mit zurück ins Lager? Wir bereiten alles zum Aufbruch vor.«
    Grince wandte den Blick ab. »Die wollen mich doch gar nicht.«
    »Das würde mich auch nicht überraschen, nach dem, was du da getan hast – aber ob sie dich wollen oder nicht, darum geht es nicht«, meinte Aurian energisch. »Sie würden dich gewiß nicht hier draußen verhungern lassen. Außerdem«, fuhr sie fort, »ist im Grunde genommen niemand wirklich böse auf dich, Grince – wir sind nur enttäuscht, das ist alles.«
    »Was macht das für einen Unterschied?« murmelte der Dieb verdrossen.
    »Der Unterschied besteht zunächst einmal in einer Menge blauer Flecken.« Ein kalter, grauer Funke des Zorns flammte in den grünen Augen der Magusch auf, und Grince verspürte eine merkwürdige Befriedigung darüber, daß er der Grund dafür war. Man hatte ihn aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen; er fühlte sich einsam und verängstigt; er war unsicher und hilflos in dieser neuen, fremdartigen Welt – aber zumindest war es ihm gelungen, einen Teil seiner unmittelbaren Umgebung zu beeinflussen.
    Und dann ging plötzlich alles schief. Aurian erhob sich und kehrte gemessenen Schrittes ins Lager zurück, ohne Grince eines weiteren Blickes zu würdigen. »Wir brechen bald auf«, sagte sie schroff. »Sieh zu, daß du da bist, denn wir werden nicht auf dich warten. Wir werden dich auch nicht holen kommen, und Mandzurano wird dich gewiß nicht mit seinen eigenen Leuten reiten lassen, nachdem du versuchst hast, ihm seine Ladung zu stehlen. Es ist eine höchst unangenehme Todesart, hier draußen im Moor an Kälte und Hunger zu sterben, aber das liegt ganz bei dir.«
    Sie war schon fast außer Sichtweite, als Grince bewußt wurde, daß sie ihre Worte ernst gemeint hatte. Eisige Furcht erfaßte ihn. Er sah sich im Geiste schon ganz allein durch dieses verlassene Hochland streifen. Was, wenn es Nacht wurde? Er würde hier in der Kälte und Dunkelheit festsitzen … Die Jahrmarktleute hielten sich augenscheinlich von befahreneren Pfaden fern – gut möglich, daß monatelang niemand hier vorbeikam, falls überhaupt jemand kam. Und ob es in diesen Mooren Wölfe gab?
    Grince sprang auf und rannte hinter der kleiner werdenden Gestalt der Magusch her. »Warte!« kreischte er. »Lady – warte auf mich!«
    Bei seiner Rückkehr ins Lager wurde ihm ein kühler Empfang zuteil, aber Aurian stellte sich immer zwischen ihn und den Zorn der anderen. Sie war es auch gewesen, die das ruhigste der Ponys für ihn ausgewählt hatte – eine gescheckte Stute –, und sie hatte keine Mühen gescheut, es dem absoluten Neuling im Sattel so bequem wie möglich zu machen. Nach seinem Sturz war sie es auch gewesen, die ihm aufgeholfen und den Staub aus den Kleidern geklopft hatte. Und damit hatte sie Grinces Gewissensbisse nur verschlimmert.
    Der fahle Mond versank langsam hinter den Hügeln, und Grince verspürte die zittrige, benommene Müdigkeit eines Menschen, der tief in der Nacht noch auf ist. Mit einem Fluch krallte er sich an der Mähne des Pferdes fest, als Hargorn vor ihm plötzlich stehenblieb und die Schecke von hinten gegen das Pferd des alten Soldaten prallte. Hargorns Reittier reagierte mit einem bösartigen Tritt, woraufhin die Stute zur Seite auswich – und der Dieb sich abermals auf dem Boden wiederfand. Wie Aurian es ihm beigebracht hatte, rollte er zur Seite weg, wo die stampfenden Hufe ihn nicht mehr erreichen konnten. Dann blieb er einfach liegen, zu erschöpft und zu elend, um sich zu erheben.
    Plötzlich tauchte die Magusch aus der Dunkelheit auf und riß den Zügel der Stute an sich, bevor das Tier durchgehen konnte.

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