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Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara

Titel: Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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spitzes, kleines Gesicht verzog sich zu einem Lächeln tiefster Erleichterung. »Lady! Yinze sei Dank, daß du hier bist.« Als sie sich wieder aufrichtete, bekam die Maske ihrer Förmlichkeit die ersten Risse. »Ich hätte nie gedacht, daß ich jemals hierher kommen würde«, gestand sie. »Ich wäre bestimmt im Ozean umgekommen, hätte ich nicht zufällig Meister Yanis’ Schiff entdeckt.«
    Jetzt erst fiel Aurian auf, daß das Mädchen eine Vielzahl farbenprächtiger, wenn auch langsam verblassender Schwellungen aufwies. Ihre zerbeulten Flügel machten einen jämmerlichen Eindruck, die Spitzen waren ausgefranst, und einige Flugfedern fehlten. Einen Hügel hielt sie unnatürlich schief, und die Spitze schleifte über den Boden. Die Magusch schüttelte ihre erstaunte Benommenheit ab und sah dem jungen Mädchen eindringlich ins Gesicht – aber es war die volle Pracht schimmernder, brauner Locken, die ihrem Gedächtnis schließlich auf die Sprünge half. »Ich weiß, wer du bist!« sagte sie plötzlich. »Du bist dieses Kind – das Kind, das Hreeza im Tempel gefunden hat.«
    »Das stimmt, Lady, ich …«
    »Na komm schon, Linnet«, unterbrach Zanna das Mädchen entschlossen. »Wo sind deine Manieren? Laß die Lady Aurian und ihre Freunde ans Feuer treten – sie haben einen langen und ermüdenden Ritt hinter sich, und du wirst noch Zeit genug haben, ihnen alles zu erzählen, wenn sie sich ein wenig ausgeruht haben. Lauf in die Küche und sag Bescheid, daß wir fünf hungrige Besucher haben. Dann komm mit Dulsina wieder zurück.«
    Linnet sah sie bestürzt an. »Jawohl, Zanna.« Einen Augenblick später hob das Mädchen seine schlaffe Flügelspitze und eilte mit einem letzten, widerstrebenden Blick auf die Magusch davon.
    Aurian schüttelte den Kopf. »Meine liebe Zanna – wo um alles in der Welt kommt sie denn her?«
    »Du wärest erstaunt, was wir Schmuggler so alles finden«, erwiderte die Nachtfahrerfrau mit einem trockenen Kichern. »Obwohl das sogar für uns eine Überraschung war. Damals tobte ein Sturm – es war ungefähr vor einem Monat –, und Yanis war ausgerechnet zu dem Zeitpunkt auf hoher See. Nur gut, daß er so ein erfahrener Seemann ist – er konnte von Glück sagen, daß er nicht sein Schiff und alle Männer verloren hat. Linnet hatte ebenfalls Glück, daß Yanis zufällig da war. Sie landete während des Sturms an Deck seines Schiffes, sonst wäre sie bestimmt ertrunken. Das arme Geschöpf war von seinem Kampf gegen den Wind zu Tode erschöpft – sie hätte es niemals bis ans Ufer geschafft.«
    »Aber was ist bloß in sie gefahren, daß sie eine so lange und gefährliche Reise gewagt hat?« fragte Aurian verwundert.
    Zanna zuckte die Achseln. »Anscheinend hat sie dich gesucht. Es hat ihr fast das Herz gebrochen, als ich ihr erzählte, daß du verschwunden seist – aber sie soll ihre Geschichte selbst erzählen.« Zannas Miene verdüsterte sich. »Das letzte Jahr hat uns allen nichts als Kummer und Schmerz bereitet.«
    Aurian ergriff ihre Hände. »Ja, Vannor hat mir alles erzählt. Zanna, es tut mir so leid …«
    »Vannor hat sich seine Probleme selbst eingebrockt«, ertönte eine harte Stimme von der Tür. »Und unglücklicherweise hat er uns andere mit hineingezogen.«
    Die Magusch drehte sich um – und hatte alle Mühe, ihr Entsetzen zu verbergen. Aber Dulsina war doch noch gar nicht so alt, dachte sie. Das war offenbar ein Irrtum. Die aufrechte und muntere Frau, die Dulsina einst gewesen war, war kaum wiederzuerkennen. Die Zeit und der Kummer hatten sich schwer auf ihre Schultern gelegt und ihren Rücken gebeugt, als trüge sie eine furchtbare Last. Ihr glänzendes, dunkles, stets gepflegtes Haar war schneeweiß geworden und fiel ihr in Strähnen übers Gesicht, und ihre einst makellose Haut, auf die sie immer so stolz gewesen war, war jetzt von ungezählten Falten der Bitterkeit und des Zorns gefurcht.
    Als sie die Magusch sah, blitzten ihre Augen zornig auf, und sie trat einen Schritt zurück, als wolle sie Aurian ins Gesicht spucken. »Deine Rückkehr kommt zu spät, Magusch«, zischte sie. »Du hast die Phaerie auf uns losgelassen, und dann hast du dich aus dem Staub gemacht, um den Konsequenzen deiner Tat zu entfliehen. Nun, jetzt ist es zu spät.« Sie zeigte mit dem Finger anklagend auf Aurian. »Der Schaden ist angerichtet, und trotz all deiner Magie kannst du die Toten nicht zurückholen.«
    Die erschütterte Magusch trat einen Schritt zurück; sie war vollkommen sprachlos.

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