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Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara

Titel: Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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Denkfähigkeit verbesserte sich jedoch, je mehr Übung er darin bekam, bis er schließlich begriff, daß seine Schwierigkeiten einen einfachen Grund hatten: der vielschichtige, komplizierte Wesenheit, die der Geist eines Menschen und eines Magusch war, paßte einfach nicht recht in den kleinen Körper und das sogar noch kleinere Gehirn eines Vogels.
    Während all der Zeit, die Anvar nachgedacht hatte, war er stetig an er Küste entlanggeflogen, mit dem Ozean an seiner linken Flügelspitze und dem Land an seiner rechten. Plötzlich wurde ihm klar, was er tat. Ich fliege! Ich weiß nicht, wie man fliegt! Es ist unmöglich! Kaum war ihm der Gedanke gekommen, da drehten sich auch schon Land, Meer und Himmel um ihn herum, und er stürzte Hals über Kopf hilflos zu Boden.
    Anvars Gedanken erstarrten in Panik – und der Instinkt rettete ihn. Die automatischen Reflexe des Fluges waren offensichtlich in den Schwingen und dem Gehirn des Bussards tief verwurzelt. Seine Hügel öffneten sich jäh und fingen den Wind unter ihnen auf, so daß sein Sturz buchstäblich im allerletzten Augenblick gebremst wurde – eine Flügelspitze berührte schon den Kamm einer Welle.
    Bei den Göttern – das war knapp gewesen! Während der Magusch seine unsicheren Bahnen flog, nahm er sich vor, nicht über die Techniken, die er benutzte, nachzudenken – ja, nach Möglichkeit die ganze Sache komplett aus seinen Gedanken zu verbannen. Was ihm auch mühelos gelang, denn sein Gehirn schien sich immer nur mit einer Sache gleichzeitig befassen zu können. Um jedoch ganz sicherzugehen, flog er landeinwärts – und ertränkte sich um ein Haar schon wieder, als er das erste Mal versuchte, eine Kurve zu fliegen. Aber sobald er wieder festen Boden unter sich wußte, flog er so tief wie möglich, um die Gefahr einer Verletzung zu verringern, falls es zum Schlimmsten kommen sollte.
    In dieser Gemütsverfassung erblickte er schließlich das Kaninchen – mehrere Kaninchen, um genau zu sein, die sich in einer grasbewachsenen Mulde ein kurzes Stück hinter dem Rand der Klippen tummelten. Ein roter Dorn des Hungers bohrte sich durch sein Gehirn. Und wieder übernahm der Instinkt das Kommando. Er brauchte sich nicht tief fallenzulassen – er wählte lediglich sein Opfer aus, neigte die Flügel, legte sie fest an den Leib und ließ sich, getragen von der Kraft seines Schwungs und mit ausgestreckten Krallen, auf das flüchtende Kaninchen fallen. Er traf das Tier, schleuderte es zu Boden, und seine Flügel öffneten sich genau im richtigen Augenblick, um ihn wieder in die Lüfte zu erheben, eine Fingerspitze überm Gras. Dann drehte er in einem spitzen Winkel bei und glitt zurück auf den Boden, um seinem vom Schreck betäubten Opfer mit einem scharfen Schlag seines Schnabels den Rest zu geben. Endlich senkte er den Kopf und begann, sich durch den Pelz in das immer noch warme Fleisch zu bohren.
    Er hatte das schaurige Mahl schon halb beendet, als er fühlte, daß irgend etwas nicht stimmte. Nein, das ist nicht richtig! So etwas esse ich doch nicht! Nicht roh! Er erinnerte sich an ein Gesicht – ein menschliches Gesicht mit blauen Augen und blondem Haar. Ich? Hände, braun, mit schwieligen Fingerspitzen, schwielig nicht von einem Schwert, sondern von Harfensaiten. Eine Harfe – da war eine wunderbare Harfe gewesen …
    Dann sah Anvar ein anderes Gesicht, dessen feingemeißelte Züge so adlerhaft waren wie die des Geschöpfes, in das er sich verwandelt hatte. Ein zerzauster Haarschopf von einem dunklen Kupferton und leidenschaftliche, grüne Augen … Aurian! Im nächsten Augenblick waren die Klippen leer, und ein Bussard zog an der Küste entlang; das Meer an seiner rechten Flügelspitze, das Land an der linken, flog er eilig denselben Weg zurück, den er gekommen war.
     
    »Wenn wir uns beeilen, können wir in ungefähr drei Tagen dort sein, Herr. Nur verfügen deine Matrosen leider nicht über die notwendige Geschicklichkeit, um unseren Ankerplatz anzulaufen. Außerdem liegt der Kiel deiner Schiffe zu tief, so daß wir in der nächsten Bucht vor Anker gehen und die Soldaten von dort aus zu der Höhle bringen müssen.«
    Von seinem gewaltigen Stuhl, hoch oben auf seinem Podest, blickte Lord Pendral auf den ungepflegten, unrasierten Schmuggler herab. Der Mann, den er vor sich hatte, war ein unsympathischer Kerl mit verkniffenem Gesicht, soviel stand fest – aber er besaß zwei Charakterzüge, die der Hohe Herr von Nexis mühelos entdecken konnte: die

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