Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
sie?«
Vannor schüttelte seufzend den Kopf. »Ich glaube, ich hatte irgendeinen unheimlichen Traum, in dem es um Forral ging, aber ich erinnere mich kaum noch daran. Abgesehen davon habe ich keinerlei Erinnerung an die ganze Geschichte, mein Kind. Ich weiß überhaupt nichts mehr …«
»Mach dir nichts draus, Vater – es ist nicht wichtig«, versicherte Zanna ihm – aber noch während sie die Worte aussprach, durchlief sie ein Schaudern. Sosehr sie es auch versuchte, sie wurde das Gefühl nicht los, daß es sehr wohl wichtig war – sogar sehr wichtig.
Aurian saß in ihrer verdunkelten Kammer und betrachte das schwache Glühen, das dem Kristall an der Spitze des Erdenstabs entstieg. Das ist nicht richtig, dachte sie verzweifelt. Was ist nur mit der Zauberkraft des Stabes geschehen? Was kann da Zwischen den Welten geschehen sein? Die körperliche Substanz des Stabs war zusammen mit Aurians Körper in der sterblichen Welt zurückgeblieben und schien die ganze Angelegenheit unverändert überstanden zu haben – aber die geistige Manifestation, das Herz der Macht des Artefakts, war im Brunnen der Seelen buchstäblich zerstört worden. Und tatsächlich, hätte Aurian nicht die Schlangen und den Kristall gerettet, so wäre sie wahrscheinlich ganz ohne den Stab zurückgekehrt. Aber auch so war sie in ernsten Schwierigkeiten. Aurian, die verzweifelt überlegte, wie sie die Macht des Stabes wiederherstellen konnte, barg das Artefakt auf ihrem Schoß. Es war ein Gefühl, als wache sie über einen kränkelnden Freund. Normalerweise durchschoß sie, wenn sie den Stab berührte, eine herrliche Woge vibrierender Energie. Die Macht des Stabes hatte ein unverkennbares Gefühl dafür, denn wie die Harfe der Winde, besaß der Stab eine eigene Intelligenz und einen eigenen Charakter. Jetzt, da Aurian ihn in Händen hielt, konnte sie kaum noch ein Kribbeln spüren, und der Stab schien nicht mehr Persönlichkeit zu besitzen als jeder andere tote Stock.
Die Harfe! Das war eine Idee! Vielleicht konnte die Macht des anderen Artefakts den Stab der Erde wiederbeleben. Aurian lief los, um das Instrument zu holen. Wie immer stieß die Harfe ein mißtönendes Summen aus, als die Magusch sie ergriff. Aurian konnte sie nur mit Mühe festhalten, als versuche das Instrument ständig, sich ihrem Griff zu entwinden. Als sie den kristallenen Rahmen berührte, stand ihr plötzlich ein Bild von Anvar vor Augen; so lebhaft, daß sie glaubte, ihn berühren zu können. Die Harfe stieß einen Seufzer aus, dem eine Kaskade von Noten folgte, deren jede die Gestalt einer Sternschnuppe hatte. »Anvar«, sang die Harfe wieder und wieder. »Anvar …«
Aurian seufzte. »Ich weiß«, antwortete sie. »Ich vermisse ihn auch. Aber wir werden für den Augenblick beide ohne ihn auskommen müssen, und wenn du ihn zurückhaben willst, solltest du mir besser helfen.«
Die Worte der Magusch fielen rauh über den flüssigen Lichtteppich, den das Lied der Harfe webte, und das Artefakt verstummte jäh. Eine Sekunde später fühlte sich der Rahmen in ihren Händen auch nicht mehr schlüpfrig an, und ein zaghaftes Kribbeln von Energie stieg in ihre Finger und lief durch ihre Arme. In Gedanken sandte Aurian dem Artefakt eine Woge der Dankbarkeit zu und spürte schließlich ein Summen als Antwort. Vorsichtig legte sie die Harfe auf ihr Bett, neben den Stab der Erde. »Kannst du mir sagen, warum der Stab seine Macht verloren hat?« fragte sie die Harfe der Winde, »und was ich tun kann, um ihn zu heilen?«
In dem verdunkelten Raum entfaltete der Kristallrahmen der Harfe ein sanftes, durchscheinendes Glühen, das sich ausdehnte und schließlich den schlafenden Stab umfing, bis es die gewundenen Gestalten der beiden Schlangen in ein nebulöses Leuchten tauchte. Zuerst glaubte Aurian, der trübe Schein des Lichtes spiele ihren Augen Streiche. Aber dann hoben die Schlangen, die immer noch den stumpfen Kristall festhielten, die Köpfe von dem Stab, um sie mit kalt glitzernden Augen zu betrachten. In dem geisterhaften Leuchten der Harfe wirkten ihre Farben leblos und verbuchen; das leuchtende Rotsilber und das lebhafte Goldgrün, in dem sie früher erstrahlt waren, gehörte nur noch der Erinnerung an. Dann setzte die Harfe ihren wimmernden Gesang fort. »Sie sagen, die Schuld liege bei dir, o Magusch. Sie sagen, du hättest deine Wächterschaft mißbraucht; du hättest den Stab zu bösen Zwecken benutzt: zu Tod und Gemetzel.«
Aurians Blut gefror zu Eis, als sie sich
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