Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
respektvollem Abstand durch die Tunnel gefolgt waren, sahen das Trugbild verblassen.
»Es ist nicht wirklich! «
Iscalda drehte sich um, als sie den Aufschrei hörte – aber sie kam zu spät, um ihn zu retten. Entsetzt sah sie zu, wie die Soldaten geschlossen vorstürmten; sie sah Chiamh stürzen, sah, wie er von einem halben Dutzend Schwerter durchbohrt wurde. Obwohl sie in ihrem Herzen wußte, daß es hoffnungslos war, wäre sie zu ihm zurückgelaufen, hätte Schiannath nicht ihren Arm gepackt und sie weitergezerrt. »Komm, Iscalda! Du kannst nichts mehr für ihn tun!« Dann zwang die Kriegerin sich mit aller Macht, sich auf ihr eigenes Überleben zu konzentrieren, denn sie mußten immer noch einen harten Kampf bestehen, bevor sie die Boote erreichen konnten. Das letzte, was sie von dem Windauge sah, war eine formlose, in sich zusammengesunkene Gestalt, wie ein blutdurchtränkter Haufen Lumpen; ein achtlos liegengelassenes Stück Abfall, das jemand mit einem Tritt beiseite gestoßen hatte, damit es nicht im Weg lag.
23
Das Trugbild
Während Zanna sich hinter Tarnal durch das Kampfgetümmel mühte, spürte sie plötzlich, wie etwas an ihrem Umhang zupfte – dann war ihr Sohn nicht mehr da. »Valand!« Sie fuhr herum und sah, wie ein Krieger das Kind mit seinem Panzerhandschuh in den Boden stampfte und mit bösartigen Tritten traktierte. Als der Mann den Fuß zu einem weiteren Tritt hob, erschien wie aus dem Nichts eine fauchende, graue Gestalt, die aufschoß und sich in die Kehle des Kriegers verbiß. Mann und Wolf taumelten rückwärts, bis sie im Kampfgetümmel verschwunden waren.
Zanna rannte dorthin, wo ihr Sohn bleich und reglos am Boden lag, aber sie konnte ihn nicht hochheben, ohne Martek abzusetzen. Tarnal konnte ihr nicht helfen. Er stand vor seiner Familie, um sie zu verteidigen – aber sein Schwert wurde dringend benötigt. Dann lockerte sich das Gedränge für einen Augenblick, und Zanna sah Emmie und Yanis mit Vannor, Parric und Dulsina. Vannor und der Kavalleriehauptmann kämpften Rücken an Rücken um ihr Leben: auch Vannor verteidigte sich mit seiner einen Hand auf bewundernswerte Weise. »Vater!« kreischte Zanna. »Bitte hilf uns!«
Yanis zog an Vannors Ärmel und rief ihm etwas zu, das Zanna in dem Lärm der Schreie und des Schwerterklirrens nicht hören konnte. Dann führte Yanis Emmie und Dulsina zu den Schiffen hinunter; Schneesilber, Emmies großer, weißer Hund, half ihm, die Frauen vor einem Angriff zu bewahren. In der Zwischenzeit hatte sich der ehemalige Hohe Herr von Nexis mit Gewalt einen Weg zu seiner Tochter durchgekämpft; sein alter Freund Parric gab ihm Rückendeckung. Als die beiden Männer Zanna erreichten, erbleichte Vannor beim Anblick seines Enkelsohns, der so schlaff und still da lag. Wortlos nahm er den Jungen auf die Arme, und abermals machten sie sich auf den Weg zum Rand des Wassers. Tarnal und Parric gaben ihnen mit ihren Schwertern erneut Rückendeckung. Zanna, die nur an die Sicherheit ihrer Kinder dachte, lief auf die Boote zu. Den kleinen Wolf, der irgendwo hinter ihr mitten im Kampfgetümmel sein mußte, hatte sie vollkommen vergessen.
Pendrals Soldaten, die entsetzt vor der rothaarigen Furie und dem großen, blonden Krieger zurückgeprallt waren, ergriffen beim Anblick der beiden riesigen Katzen endgültig die Flucht. Die beiden Geschöpfe schienen nur noch aus tödlichen Fangzähnen und Klauen und furchtbaren, brennenden Augen zu bestehen, und da sich ihnen niemand in den Weg stellte, schossen sie durch den Korridor und hinein in die Haupthöhle. Forral hielt kurz inne, um die Szene mit dem erfahrenen Auge eines Kriegers zu überblicken, und sah, daß zwei der Schmugglerschiffe bemannt wurden, während eine Hotte kleinerer Boote durch den Hafen kam, um sich zu ihnen zu gesellen. Er wußte, daß sie nicht mehr viel Zeit hatten. Die Nachtfahrer waren in der Minderheit, und der Strom der Soldaten schien nicht abreißen zu wollen. »Da hinunter – und schnell«, rief er, wies ihnen mit seinem Schwert den Weg und stürmte auch schon den Strand hinunter, stürzte sich mitten in das Gedränge der Kämpfenden, um auf schnellstem Weg zum Wasser zu eilen.
Aurian wollte ihm gerade folgen, als ihr Blick auf einen am Boden liegenden Körper fiel, der im Schatten der Höhlenwand in sich zusammengesunken war. Etwas – ein vages Gefühl des Wiedererkennens – ließ sie nicht los, und ohne einen weiteren Gedanken lief sie zu dem reglosen Bündel
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