Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
»Ich möchte dich nicht kränken, aber ich glaube, als Chiamh von Hilfe sprach, meinte er den Beistand von Leuten, die ein Pferd reiten und ein Schwert benutzen können oder über Magie verfügen.«
»Du sagst, ich tauge nichts«, murmelte Grince verdrossen und trat in den Sand vor sich.
»Ich sage nichts dergleichen. Es ist nur so, daß du für diese Art von Reise nicht geschaffen bist. Denk doch nur, dieser kurze Ritt von Nexis hierher hat dich fast umgebracht – und erzähl mir nicht, du hättest es genossen, denn das würde ich dir nicht abkaufen. Die Sache war für dich von Anfang an eine Tortur.« Sie seufzte. »Es geht nicht darum, ob du etwas taugst oder nicht – es geht um ganz bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse. Wenn unser Ziel eine Stadt wie Nexis wäre, hättest du dich auf vertrautem Boden befunden. Wenn ich einen Dieb gebraucht hätte …«
»Wer sagt, daß du keinen brauchen wirst?« warf Grince hastig ein.
»Dann werde ich eben zusehen müssen, wie ich zurechtkomme.« Aurians Tonfall duldete keine weiteren Einwände, aber sie milderte ihre Worte mit einem Lächeln ab. »Grince, wenn ich dich mitnähme, bin ich fest davon überzeugt, daß ich deinen Tod verschulden würde. Und das kann ich nicht verantworten. Ich habe zu viele Freunde sterben sehen – ich mag dich viel zu sehr, um zuzulassen, daß dir etwas zustößt.« Dann war sie auch schon mit einem Wirbel ihrer weinroten Röcke verschwunden.
Grince sah ihr nach und wußte nicht, ob er unglücklich sein oder sich über ihre Worte freuen sollte. Eines jedenfalls stand fest – sie hatte genau das Gegenteil von dem bewirkt, was sie vorgehabt hatte. Wenn die Magusch ihn so sehr mochte, konnte er auf keinen Fall zulassen, daß sie ihn zurückließ. »Es ist noch nicht vorbei«, murmelte er. »Ich komme mit dir – wart’s nur ab.«
Als die Magusch in ihr Quartier zurückkehrte, hatte Forral das Feuer im Kamin geschürt und zwei Gläser Wein eingeschenkt. »Worum ging es?« fragte er, als er ihren düsteren Blick sah.
Aurian schüttelte den Kopf und seufzte. »Der arme Grince scheint den Verstand verloren zu haben. Er möchte mitkommen, wenn ich nach Süden gehe. Kannst du dir das vorstellen? Der Weg von Nexis hierher hat den armen, kleinen Tropf fast umgebracht, er hat nicht die leiseste Ahnung, wie man in der Wildnis überlebt, ja er kann nicht einmal ein Schwert vernünftig benutzen, und trotzdem erzählt er mir frohen Mutes, er wolle mich auf einer Reise von mehreren hundert Meilen begleiten.«
Forral zuckte die Achseln. »Du hast es wieder mal geschafft, wie? Sieht so aus, als hättest du noch eine Eroberung gemacht. Bei allen Göttern, Aurian – ich weiß nicht, wie du es fertigbringst, daß du den Leuten solche Loyalität abnötigst …« Er hielt inne und lächelte sie an. »Nein – in Wahrheit weiß ich es wohl doch. Du nimmst die Menschen wichtig. Ein paar Minuten, nachdem du Grince kennengelernt hattest, hast du ihn geheilt und ihm geholfen; du hast ihn aus der Stadt geschmuggelt und ihm damit wahrscheinlich das Leben gerettet, und dann warst du die einzige, die ihm beigestanden hat, als wir ihn erwischt haben, wie er Mandzurano bestehlen wollte. Mir ist aufgefallen, daß er dich beobachtet – ich schätze, er hat eine tiefe Zuneigung zu dir gefaßt, meine Liebste.«
»Zu mir? Was für ein Unsinn!« Aurian schnaubte.
»Ich meine es ernst«, entgegnete Forral. »Die meiste Zeit seines Lebens hatte er niemanden. Denk nur, was für eine einsame Existenz das gewesen sein muß, ohne Familie oder Freunde. Er hatte nie jemanden, den er Heben konnte, und niemand hat sich um ihn gekümmert. Dann warst du plötzlich da. Noch nie war jemand so freundlich zu ihm, und zum ersten Mal behandelt ihn jemand wie ein menschliches Wesen … Was denkst du dir denn? Es ist kein Wunder, daß er glaubt, in dich verliebt zu sein.«
Die Magusch funkelte ihn an. »Verliebt, daß ich nicht lache! Was auch immer Grince zu fühlen glaubt, es ist nicht mehr als Heldenverehrung, schlicht und ergreifend – und ich sollte die Symptome kennen. Ich erinnere mich da an ein kleines Mädchen, das vor langer, langer Zeit dasselbe für dich empfunden hat.«
»Ja, und sieh nur, wo das hingeführt hat«, knurrte der Schwertkämpfer.
Aurian seufzte ärgerlich. »Forral, dieser Unsinn ist jetzt weit genug gegangen. Du klingst eher wie ein Küchenmädchen als wie ein Schwertkämpfer!«
Forral zuckte die Achseln. »Nun, vielleicht hast du recht. Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher