Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
die Hilfe eines anderen Magusch braucht?«
»Sie hat Chiamh«, entgegnete D’arvan mit fester Stimme. »Maya, ich hatte niemals auch nur die geringste Absicht, dich hier zurückzulassen und zu riskieren, daß du unser Kind allein zur Welt bringst. Jetzt habe ich alles in meiner Macht Stehende für Aurian getan, und sie ist überglücklich darüber, daß ich zu dir zurückgekehrt bin – um genau zu sein, sie hat darauf bestanden.« Er hielt ihr die Hände hin. »Und wenn du mich in den Palast läßt, habe ich dir noch allerhand auszurichten …«
»Und was ist mit mir?« fragte Hargorn aufsässig. »Ich habe das verflixte Weibsbild seit zehn Jahren nicht mehr gesehen und bekomme nicht mal ein Hallo von ihr.«
Maya quittierte seine Bemerkung mit einer obszönen Geste. »Ich sehe jedenfalls, daß du dich in den vergangenen zehn Jahren nicht sehr verändert hast – du bist noch genauso brummig und verkniffen wie früher.« Mit einem Lachen ließ sie D’arvan los und rannte ihrem alten Freund entgegen.
Hellorin sah nachsichtig zu, wie Hargorn und Maya einander in die Arme fielen. »Sterbliche«, sagte er kopfschüttelnd.
D’arvan musterte seinen Vater mit einem kalten Blick. »Wo wir gerade von Sterblichen sprechen«, sagte er, »wie bald werden wir für den Angriff auf Nexis gerüstet sein?«
Hellorin zuckte die Achseln. »Wann immer du willst. Ich habe in deiner Abwesenheit alle nötigen Vorkehrungen getroffen.«
»Gut«, sagte D’arvan. »Dann laß uns morgen nacht angreifen.«
Trotz seines gestohlenen Pferdes hatte Parric mehrere kalte, hungrige, elende Tage gebraucht, um von dem Küstendorf Osthafen aus nach Nexis zu gelangen. Er hatte sich unterwegs mit dem Gedanken an die Schänke des Unsichtbaren Einhorns bei Laune gehalten und sich genau ausgemalt, was er alles essen und trinken würde, wenn er endlich dort ankam. Er hoffte nur, daß die alte Henne Hebba sich noch an ihn erinnerte – denn er hatte nicht die Absicht, seine Zeche zu bezahlen.
Da die alte Flußstraße von Osten her unpassierbar war, mußte Parric zuerst nach Norden und um die Hügel herum reiten, bevor er in die Stadt gelangte. Es dämmerte bereits, als er endlich auf die nördliche Hauptstraße bog und von dem Felsvorsprung dort auf die rauchenden Schornsteine von Nexis herabblicken konnte.
Beim Anblick der schwarz livrierten Wachen am Tor wünschte er beinahe, überhaupt nicht zurückgekehrt zu sein. Die Männer waren mürrisch, argwöhnisch – und hatten es eindeutig auf eine Bestechung abgesehen. Nun, da hatten sie Pech gehabt.
Parric setzte ihnen klipp und klar auseinander, daß sie einem traurigen Irrtum erlegen waren, wenn sie glaubten, er hätte Geld. Außerdem informierte er sie darüber, daß er, wenn sie ihn nicht einließen, direkt vor den Toren der Stadt sein Lager aufschlagen und sein Pferd kochen und verspeisen würde. An dieser Stelle ihrer Unterredung hatte er sich dermaßen in seine schlechte Laune hineingesteigert, daß er jedes Wort ernst meinte. Die Wachen warfen einen Blick auf seine grimmige Miene und ließen ihn passieren.
Im Schankraum des Einhorns brannte ein gewaltiges Feuer, und Hebba und Sallana, die Dienstmagd, hatten alle Hände voll zu tun. Die Gaststube war gerammelt voll, und die Hitze und der Lärm waren schier atemberaubend. Für den Kavalleriehauptmann aber war es die Herrlichkeit auf Erden. Aber zunächst einmal mußte Parric sich mit den Ellbogen durch das Gedränge der frühabendlichen Trinker kämpfen. Meistenteils waren es Arbeiter, die hier für gewöhnlich vor dem Abendessen daheim ein oder zwei Gläser Bier tranken. »Hebba!« rief er, als er sich endlich bis zu der Wirtin vorgekämpft hatte. »Ich bin’s!«
Hebbas Miene wurde gletscherkalt. »Ich erinnere mich an dich«, sagte sie. »Du warst der Vulgäre.«
Als freudiges Willkommen ließen diese Worte eine Menge zu wünschen übrig, aber Parric war fest entschlossen, sich diesen Abend durch nichts verderben zu lassen. Es war viele Jahre her, seit er das letzte Mal in einer richtigen Taverne einen anständigen Humpen Bier getrunken hatte, und er hatte ihn sich wahrhaftig verdient. Was hatte er nicht alles durchgemacht – zunächst die Jahre der Sklaverei in Hellorins Stadt, dann das schreckliche Massaker der Nachtfahrer …
Erst in diesem Augenblick wurde Parric klar, daß er keine Ahnung hatte, ob der Geschäftspartner dieser Frau lebte oder tot war. Er wollte gerade mit einem Bericht über das Blutbad herausplatzen, als
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