Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Blut gefror in ihren Adern zu Eis. »Nein …« dachte sie. Als Forral die Hand um den Griff des Schwertes legte, bückte er mit solcher Sehnsucht und Liebe in den Augen zu ihr auf, daß Aurian sofort wußte, was er vorhatte. »Nein«, schrie sie innerlich. »Nein, nein, nein …«
Danach schien alles sehr langsam zu geschehen. Forral drehte den Griff des Schwertes in seinen Händen um und stürzte Anvars Körper in die Klinge. Eliseth fuhr herum, und ihr Mund war zu einem Protestschrei geöffnet, während Aurian, die immer noch gut einen Meter über dem Dach war, von Iscaldas Rücken sprang und an die Seite des Schwertkämpfers eilte.
Forral drückte der Magusch den Schwertgriff, der noch klebrig war von seinem Blut – Anvars Blut –, in die Hände. »Deins«, flüsterte er.
»Deins«, sang das Schwert. Eine feuerrote Zunge zuckte die tropfende Klinge hinab, und Aurian spürte, wie die Macht des Artefakts durch ihre Adern hindurch pulsierte. »Deins. Das Bündnis besiegelt mit Lebensblut, mit einem Opfer, wie es verheißen war. Besiegt und endlich zusammengefügt …«
Aurian wurde übel. Dieses widerwärtige Ding! Aber sie würde nicht zulassen, daß ein Gefühl der Schwäche Forrals Opfer zunichte machte. Halb blind von Tränen, sprang sie auf die Füße und schwang das feurige Schwert in einem gewaltigen, sirrenden Bogen, der in einem ungeheuerlichen Funkenregen mitten durch Eliseths Schild schnitt.
Dann drehte sie die Hände, wie Forral es ihr als kleinem Mädchen im Tal ihrer Mutter beigebracht hatte, und eine Sekunde später bohrte sich die Klinge durch Eliseths Schädel, spaltete ihr makelloses Gesicht und grub sich tief in den Leib der Wettermagusch, bevor es endlich haltmachte.
Elend und zu Tode erschöpft sank Aurian über dem Leichnam ihrer besiegten Feindin zusammen. Sterbe ich auch, dachte sie ohne jedes Gefühl. Das Licht schien durch ihre geschlossenen Augenlider heller und heller zu werden, und dieses unirdische, getragene Singen … Singen? Wer im Namen aller Schöpfung konnte in diesem Augenblick singen? Kein lebendiges Geschöpf war eines solchen Geräusches fähig, und doch erschien es ihr so vertraut …
Müde hob Aurian den Kopf und öffnete die Augen. Die Sonne ging auf – und überall waren Drachen; einige rot, einige gold, andere grün – und alle blinzelten mit ihren gewaltigen Augen aus schlummerndem Feuer und streckten ihre gerippten, durchscheinenden Hügel aus, um die frühe Morgensonne aufzufangen. Einen Augenblick später ging ein gewaltiges goldenes Geschöpf neben der Magusch auf dem blutbefleckten Dach des Turmes nieder. Der Drache kam ihr irgendwie vertraut vor. »Aber …«, sagte Aurian, »aber …«
Plötzlich erwachte der Morgen unter einer Flut von Licht und Musik zum Leben. Der Drache sprach zu ihr. »Aber ich bin in dem Erdbeben umgekommen, als die Schatzkammer zusammenstürzte?« Ein Wasserfall schimmernder Farben zierte die Luft, als der Drache laut lachte. »Illusion, Magusch – alles Illusion. Das Schwert war dazu bestimmt, uns in die Zeit zurückzuholen. Aber erst, wenn es errungen und das Böse besiegt wurde, denn wir wünschten nicht, in der Welt zu leben, solange sie kein besserer Ort war …« Der Drache neigte den Kopf und sah Aurian kritisch an. »Ich muß sagen, du hast dir ganz schön Zeit gelassen!«
Diese Bemerkung ließ Aurians Zorn aufflammen. »Und ich muß sagen, es überrascht mich, daß ihr eine so schmutzige Waffe wie diese ersinnen konntet.« Voller Abscheu blickte sie auf das blutbefleckte Schwert, das noch immer sein wildes Lied von Blutvergießen und Morden summte. »Außerdem könnt ihr das widerliche Ding zurückhaben!« Mit aller Kraft trieb sie die Klinge mit der Spitze nach unten in den Stein des Turmdachs. Zu ihrer Überraschung sank das Schwert mühelos bis zu seiner halben Länge hinein und blieb dort stecken. Der Drache sah sie mit vor Überraschung geweiteten Augen an – und mit einer gehörigen Portion Respekt. »Tollkühne Magusch«, sang er. »Wieder eine Legende geboren!«
»Du kannst dir deine Legenden an den Hut stecken«, brauste Aurian auf – dann wurden ihre Züge plötzlich weicher. Es war absolut unmöglich, auf ein so prachtvolles und wunderschönes Geschöpf lange wütend zu sein. Aurian überlegte, daß die Drachen wahrscheinlich deshalb mit so großer Schönheit ausgestattet waren, weil sie sonst alle gegen sich aufgebracht und wahrscheinlich nicht lange überlebt hätten. »Ich bin froh, daß du wieder da
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