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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Gesicht, als würde sie nun doch die Kälte spüren.
    »Mein Gott, Nelly, deshalb haben sie dafür gesorgt, dass Fletcher dich so mühelos draußen auf dem Eis erwischen konnte. Wieso warst du überhaupt dort? Entweder Kinzler oder Shenker muss dich hingeschickt haben.«
    Nelly starrte zum Horizont. Ihm fiel ein, dass sie kein Wort über die blauen Flecke an Armen und Gesicht verloren hatte. »Es hieß, einer der Erstgeborenen sei von Wölfen angefallen worden«, erklärte sie. »Seine Schlittenhunde seien ebenfalls verletzt, und er brauche Hilfe. Aber eine Horde Fischer hat mir aufgelauert.«
    »Hast du an dem Tag je einen verletzten Erstgeborenen zu Gesicht bekommen?«
    »Der Eissegler kam, bevor ich ihn erreichen konnte.«
    »Eben. Tausende Quadratkilometer Eis – und Fletchers Leute segeln zufällig genau bei dir vorbei. Deine Hinrichtung hätte mit Sicherheit bewirkt, dass die Camps und Sankt Gabriel sich gegen Carthage vereinen würden. Und Kinzler undSauger wären dich los. Du standest ihnen im Weg. Da draußen auf dem Eis hat es nie einen Verletzten gegeben.«
    Sie sah ihn noch immer nicht an. »Du irrst dich.«
    »Wo war euer Shenker, als Fletcher dich geholt hat? Er war vor dem Bibliotheksbrand bei dir, um sicherzustellen, dass du brav deine Rolle spielen würdest – als Schurkin für Buchanan und als Märtyrerin für die Verschwörer. Du hast gesagt, Shenker sei am Abend von Jonahs Ermordung nicht bei dir gewesen, sondern habe die Rückseite der Bibliothek im Auge behalten. Was ist, wenn er in Wahrheit das Gebäude betreten hat? Jonah hatte durchschaut, was vor sich ging, er wusste von den Drogen. Er hatte an einem Heilmittel gearbeitet, um die Sucht zu überwinden und Sauger somit einen Strich durch die Rechnung zu machen. Er wollte die Verschwörung aufdecken und dir von seinem Durchbruch berichten, der alles ändern würde. Wenn du das Gegenmittel präsentieren würdest, wäre das die perfekte Möglichkeit, die Camps und Carthage endlich zu vereinen. Wo war Shenker? Wo war Kinzler? Deine erste Flucht war bloß Taktik, um Öl ins Feuer zu gießen. Sie gehörte zum Plan, genau wie deine erneute Ergreifung. Diesmal haben nicht die dich befreit, sondern ich. Sie wollten deinen Tod ebenso wie Buchanan. Jonah musste sterben … und nun du auch.«
    Nelly blieb abermals stumm. Sie zog ihren Schal fester, ging nach vorn zum Bug und schaute hinaus über das Eis, eine einsame Galionsfigur in schimmernder Nacht.
     
    »Sie ist zu schön, Hadrian«, protestierte Jori, als er erklärte, was sie bei der Ankunft in New Jerusalem mit dem Eissegler machen würden. Es war eine Stunde vor Tagesanbruch.
    »Sie wird keinen Schaden nehmen, nur ein wenig umherwandern«, versicherte Hadrian. »Fahr noch ein Stück in Richtung Ufer und wende. Wir gehen von Bord. Dann richtestdu sie auf die Mitte des Sees aus, bindest das Ruder fest und kommst zu uns. Die Schakale sind höchstens zwei Stunden hinter uns. Dieser Mast ist mehr als neun Meter hoch. Bei Sonnenaufgang wird er wie ein Signalfeuer leuchten. Die Kerle werden ihr folgen und sie bergen. Das verschafft uns zusätzliche zwei Stunden.«
    Jori willigte widerstrebend ein. Alle anderen sprangen auf das harte Eis, und sie ließ das Boot mit geübter Hand eine Kehre fahren.
    Sie schlichen quer über das Eis auf das eingezäunte Gelände zu, als Björn plötzlich hochschreckte. Seine Gefangene war weg. Er wollte schon nach der Waffe an seinem Gürtel greifen, doch Hadrian wies auf einen Schatten, der zu der nahen Insel rannte. Sie holten Nelly am ersten der beiden zweigeschossigen quadratischen Gebäude ein. Die schwere Tür war verriegelt, aber Nelly sah im Schnee eine einfache Holzleiter liegen. Hadrian half ihr wortlos dabei, die Leiter an die Luke unter dem Dachvorsprung zu lehnen. Im nächsten Moment war Nelly oben, stieß die kleine Lukentür auf und beugte sich vor. Sogar am Fuß der Leiter stieg ihnen der schwere, süße Getreideduft in die Nase. Nelly schien kurz in sich zusammenzusacken. Dann schloss sie die Luke und kam langsam nach unten.
    »Er hebt es für uns auf, bis wir es am nötigsten brauchen«, behauptete sie wenig überzeugend und ließ sich dann von Jori zum Ufer führen.
    Sie beobachteten die Palisade fünf Minuten lang und warteten darauf, dass der Wachposten auftauchen würde. Dann beriet Hadrian sich kurz mit Björn und ging geradewegs auf das Haupttor zu. Er hatte es fast erreicht, als ein Mann vortrat, in einer Hand eine Schrotflinte, in der anderen

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