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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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schon immer das Eissegeln gewesen.
    »Entlang der Küste sind es etwa hundertfünfzig Kilometer bis zu den Camps«, sagte er und musste die Stimme erheben, um den Wind zu übertönen. »Schaffen wir das bis Tagesanbruch?«
    Jori warf einen Blick auf die vorbeirasende Uferlinie. Ihr Gesicht schien zu leuchten. »Wir werden viel früher da sein. Schon komisch, diese Eislogger. Mit ihrer Form und Verdrängung würden sie im Wasser wie ein Stein versinken. Aber auf dem Eis und dank ihrer Ausleger sind sie rasend schnell. Wir machen mindestens dreißig Knoten.« Sie hielt inne und sah ihn fragend an. »Aber die Camps sind doch nicht unser eigentliches Ziel«, sagte sie zögernd.
    »Nein, aber von den Camps aus verläuft irgendwo ein Bergungspfadin Richtung Südwesten. Wir werden uns durch New Jerusalem schleichen müssen, um ihn zu finden.«
    Jori stellte keine weiteren Fragen, sondern nickte nur, nahm dann seine Hand und legte sie auf die Ruderpinne. Sie sprach auch nicht mehr über die Gefahren, die vor ihnen liegen mochten, sondern nur noch über das Takelwerk und die Kursbestimmung. Dabei wies sie darauf hin, wie raffiniert das Kompassgehäuse mit Spiegeln und Kristallen ausgestattet war, die das Licht der in den Boden eingebauten kleinen Öllampe genau auf die Nadel lenkten. Mit ihrer behandschuhten Hand auf seiner zeigte sie ihm, dass zur Richtungsänderung bereits eine winzige Bewegung ausreichte. Dann rückte sie zur Seite und ließ ihn steuern. »Ein guter Skipper behält die Nadel im Blick und genießt die Musik«, sagte sie. Eine Viertelstunde lang stand sie schweigend da, ihre Haare wehten im Wind, die Sterne funkelten in ihren Augen. Schließlich gähnte sie, setzte sich hin, wickelte sich in eine Decke und lehnte sich gegen Hadrians Beine.
    Er hatte selten ein solch erhebendes Gefühl der Freiheit verspürt. Er befand sich auf einem fremden Eisplaneten zwischen den Welten – die Katastrophe namens Carthage hinter ihm, das Ruinenland der Mörder und Diebe vor ihm. Doch in diesem Moment, während der Überfahrt, mit dem tanzenden Nordlicht über seinem Kopf und an Bord eines rasenden Schattens mitten auf dem leeren See, war er frei. Allmählich verstand er, was Jori gemeint hatte, denn allmählich erreichte die Musik sein Bewusstsein. Wenn die Segel perfekt getrimmt waren, entlockte der Wind den straffen Takelseilen ein leises Summen, begleitet durch das Baritonbrummen der Messingtaljen und den Gesang der Kufen auf dem Eis.
    Hadrian war sich nicht sicher, wann Nelly aufwachte. Er merkte nur irgendwann, dass sie unter ihm an der Luke kniete und mit geneigtem Kopf dem Lied der Überfahrt lauschte.Nach einigen Minuten stand sie auf, drehte sich in Fahrtrichtung, senkte die Decke und ließ sich vom kalten Wind umwehen. Sie hatte unschlüssig gewirkt, ob sie das Gefängnis mit Hadrian verlassen sollte, und ihm wurde klar, dass von allen Mysterien, die ihn plagten, eines der schmerzlichsten die Frage war, weshalb Nelly sich so bereitwillig in ihren Tod an Buchanans Galgen gefügt zu haben schien. Jedenfalls nicht wegen Kinzler und gewiss nicht wegen der Verbrecher aus Sankt Gabriel. Er hatte sich fast schon eingeredet, sie wäre einfach zu zermürbt, zu angewidert, um die Welt und was die Menschen schon wieder daraus gemacht hatten, noch länger ertragen zu müssen. Doch die Frau, die hier vor ihm im Wind stand, war alles andere als resigniert.
    »Ich wusste nicht, dass ein Brandanschlag auf das Getreide geplant war«, sagte Nelly, als sie sich schließlich zu ihm umwandte.
    »Das habe ich auch nie von dir angenommen«, erwiderte Hadrian.
    »Dieses Getreide war Teil von Jonahs Vereinigungstraum. Er hat mir davon in seinen Briefen erzählt. Der Ernteertrag reichte endlich aus, um ihn mit uns zu teilen. Wäre es nicht geradezu weltbewegend, schrieb er, wenn New Jerusalem die Medizin zur Heilung der Kranken von Carthage brächte und Carthage dafür aus Dankbarkeit die Silos öffnen würde?« Sie reckte ihr Kinn den Sternen entgegen.
    »Jori hat Blockhütten auf der Insel vor Kinzlers eingezäuntem Gelände gesehen. Zwei Etagen hoch, mit nur einer Tür sowie einer kleinen Luke am oberen Rand. Hast du dich je erkundigt, wofür die gedacht waren?«
    »Vom Ufer aus waren sie durch die Bäume verdeckt. Die Männer aus Sankt Gabriel haben sie erbaut. Als Lagerhäuser, hat Kinzler uns gesagt. Für all die Handelsgüter, mit denen wir rechnen dürften.«
    »Die haben Getreide gestohlen, Nelly. Und zwar schon seit Monaten.

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