Die Asche der Erde
ihn aufforderte, die Fässer zu den Türen der anderen Gebäude zu tragen, wo sie jeweils den Spundzapfen heraustrat. Mit einem weiteren Fass legte Björn Terpentinspuren über den gefrorenen Boden, die von jedem der Eingänge bis zum Haupttor verliefen. Dort warf Nelly einen brennenden Span in das Lösungsmittel. Sie befanden sich bereits jenseits der Landzunge im Wald, als die Explosionen durch die Nacht hallten.
Sobald Nelly sie zu dem ausgetretenen Pfad geführt hatte, der nach Südwesten verlief, blieb sie stehen und drehte sich mit ausgestreckten Armen zu Björn um. Der große Norweger konnte seine Bewunderung für die kahlköpfige Frau nicht verhehlen. Sie hatte Kinzlers Areal ohne ein Wort und ungeachtet ihrer Fesseln zerstört. Der Polizist zögerte und schaute zu Jori, die genau genommen einen höheren Dienstrang bekleidete.
»Falls wir auf einen Bergungstrupp treffen, kann ein führendes Mitglied des Tribunals uns unnötige Auseinandersetzungenwomöglich ersparen«, sagte Jori. Hadrian griff nach seinem Messer.
Björn wirkte erleichtert, als er die Fesseln durchtrennte. »Aber ich bin immer noch für Sie verantwortlich«, erinnerte er Nelly, die daraufhin matt lächelte.
Nach der ersten Stunde übernahmen Dax und Jori in dem steilen vereisten Gelände die Führung. Der größte Teil des Pfads folgte alten Straßen, was weniger durch die Betonstücke deutlich wurde, die gelegentlich im Schnee zu erkennen waren, als vielmehr durch die Bäume. Sie folgten sechs Meter breiten Baumreihen, die höchstens fünfzehn oder zwanzig Jahre alt waren und von weitaus höheren Bäumen eingerahmt wurden, die schon seit fünfzig oder gar hundert Jahren wuchsen.
Sie beeilten sich, obwohl sie nicht genau wussten, wie weit der Weg sein würde, und hielten sich stets an die meistbenutzten Routen. Wo früher Straßenüberführungen verlaufen waren, gab es nun primitive Holzbrücken, und an diversen Lagerplätzen zeugte der festgetrampelte Schnee von häufiger Benutzung durch Männer und Pferde. Nach einer Weile stach die Luft nicht mehr ganz so kalt, und der Schnee wurde weniger, bis er nur noch an vereinzelten Flecken lag.
Zweimal sprangen sie in Deckung, weil Dax einen warnenden Pfiff ausstieß, und sahen Bergungstrupps vorbeireiten, deren Packtiere hoch mit Schätzen beladen waren. Einmal hörten sie nachts das markerschütternde Brüllen eines großen Raubtiers. Hadrian musste an die Geschichten über entflohene Zootiere denken. Eines Morgens sah er in der Dämmerung einen Schatten durch das Geäst eines Baumes huschen. Er hätte schwören können, dass es ein Affe war.
Als Dax und Jori am dritten Tag auf einem Sims innehielten, unter dem sich ein langes, schmales Tal erstreckte, erkannte Hadrian, dass sie das Ziel ihrer Reise erreicht hatten.Seine Begleiter wunderten sich über eine Reihe von Hügeln in gleichmäßigem Abstand, die zwar von Pflanzen bewachsen, aber seltsam eckig geformt waren – überwucherte kleine Tafelberge, die fünfzehn und sogar dreißig Meter über den flachen Talgrund aufragten.
»Gebäude«, sagte er. »Zumindest früher mal«, verbesserte er sich, als Jori, Björn und Dax ihn zweifelnd ansahen. Mittlerweile waren die Bauten zu Teilen der Landschaft geworden, nicht anders als einst die Mayatempel im Dschungel Mittelamerikas. Es war, als habe die Natur beschlossen, das Experiment namens Menschheit zu beenden.
»Aber das ergibt keinen Sinn«, sagte Jori. »Wozu würde man so hohe Gebäude benötigen?«
»Das haben die Leute eben einfach so gemacht«, sagte Nelly, kaum lauter als ein Flüstern, und schaute zu Hadrian. Sie wussten aus Erfahrung, dass es nicht möglich war, der neuen Generation wirklich zu vermitteln, wie die alte Welt mit ihren Menschenmassen ausgesehen hatte, den Straßenlabyrinthen, den gewaltigen Flächen aus Asphalt und Beton, den Überlandleitungen und den Millionen von Automobilen.
»Das dort wäre ein perfektes Auffangbecken gewesen«, sagte Nelly an seiner Schulter. Die steilen hohen Berggrate zu beiden Seiten des Tals mochten die Gebäude vor den Druckwellen der Explosionen geschützt haben, aber womöglich hatten sich danach biologische Kampfstoffe in der tiefen Senke gesammelt.
»Viele Jahre lang«, stimmte er zu und dachte an Standish und seine Leute, die da unten zwei Jahre nach der Gründung von Carthage gestorben waren. Sogar heute noch war ihm unwohl bei dem Gedanken, das Tal zu betreten. Doch dann sah er eine dünne Rauchfahne von der
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