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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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ließ sich auf ihren Stuhl fallen.
    »Wer hat euch im Gefängnis geholfen?«, fragte er. »Ihr wart auf dem Dampfboot, das bei Tagesanbruch ausgelaufen ist, es geht gar nicht anders.« Als sie nicht antwortete, seufzte er frustriert. »Buchanan will in der Lage sein, es einen beginnenden Aufruhr zu nennen. Das ist die Gelegenheit, auf die er gewartet hat. Er wird die Ausgestoßenen als Sündenböcke benutzen und so seine eigene Position stärken. Falls er euch nicht vernichten kann, wird er die Camps einfach von seinen Leuten besetzen lassen und all eure Anführer ins Gefängnis werfen.«
    Nelly schaute zum Fenster hinaus in die Finsternis. »Seit Jonahs Tod habe ich jede Nacht den gleichen Alptraum. Ich sitze im Dunkeln auf einer Veranda. Jonah taucht hinter meinem Schaukelstuhl auf und legt mir die Hand auf die Schulter. Nicht Jonah. Sein Geist. Er sagt, er verzeiht mir seinen Tod. Das ergibt keinen Sinn. Und es zerreißt mir das Herz.«
    Und wieder hatte Hadrian den Eindruck, dass es Jonah gewesen war, der die Maschinerie, die sie alle zu zermahlen schien, in Gang gesetzt hatte. Er musste an Jonahs ominöse Nachricht denken. »Nelly, was hat er damit gemeint, dass die Welt aus den Angeln gehoben wird?«
    »Ich sagte doch schon, ich weiß es nicht. Aber ich konnte eine solche Nachricht unmöglich ignorieren. Shenker war gerade von einer seiner Reisen zurückgekehrt. Er sagte, wir müssten sofort aufbrechen und er würde mich begleiten. Wir haben unsere Ankunft umgehend angekündigt.«
    »Du meinst durch ein Signal an dem Baum auf dem Berggrat.« Nelly sagte nichts dazu. »Aber ich glaube, du hattest zumindest eine Vorstellung von dem, was er wollte.«
    »Irgendwas im Zusammenhang mit den Arzneien, dachte ich.«
    »Du hast gesagt, du hättest eine Liste der Krankheiten für ihn erstellt.«
    »Auch Carthage braucht mehr Medizin. Ich vermute, er hat geglaubt, dass eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet uns einander wieder näher bringen würde.«
    »Was für Krankheiten? Was stand auf deiner Liste?«
    »Grippe. Ruhr. Typhus. Schneeblindheit. Wassersucht.«
    »Schneeblindheit?«
    »Das ist ein neues Leiden, das unter unseren jungen Leuten auftritt. Sie fallen zeitweilig ins Koma. Ihre Augen werden ganz weiß. Drei oder vier sind gestorben.«
    Hadrian sah sie schweigend an. »In Carthage zählt das als Arbeitsunfall«, sagte er schließlich und berichtete, was er über Jamie Reeses Tod wusste. »Auch der Mord an diesem Polizisten hat damit zu tun, da bin ich mir sicher«, schloss er. »Was war der Grund, Nelly?«, ließ er nicht locker. »Wieso musste Jonah dich so dringend sehen?«
    »Meinst du nicht, dass ich mich das selbst ständig frage,seit ich dich an jenem Abend mit seinem Leichnam gesehen habe?«
    »Du hast mich gesehen?«
    »Ich war in der Menge und hatte meine Kapuze auf. Ich wollte gerade hineinrennen und nach ihm suchen, als du ihn nach draußen getragen hast. Shenker hat mich weggezogen und gesagt, es würde dort gleich von Polizisten wimmeln.«
    »Aber du hast doch das Gebäude beobachtet, um einen günstigen Moment für deinen Besuch bei Jonah abzupassen. Dir muss doch irgendwas aufgefallen sein.«
    »Wir haben mehr als eine Stunde dort im Schatten gewartet. Zwei Familien mit Büchern kamen heraus. Ein Botenjunge brachte etwas, das wie ein Behälter mit Essen aussah, und lief ein paar Minuten später wieder weg. Eine Polizeistreife kam vorbei. Ich habe das in meinem Kopf wieder und wieder abgespielt. Da war nichts Verdächtiges.«
    »Habt ihr auch die Hintertür im Auge behalten?«
    »Ja, da war Shenker. Wir wollten den Eingang nehmen, bei dem als Erstes die Luft rein sein würde. Ein Hausmeister sei weggegangen, hat er gesagt. Ein Müllwagen habe die Tonnen geleert.«
    »Jonahs Beisetzung war zwei Tage später. Wo habt ihr euch versteckt? Jedenfalls nicht in seinem Haus. Ich war da.«
    »Ich war auch da, lange genug, um durch das Fenster zu sehen, dass jemand alles durchwühlt hatte.«
    »Wo habt ihr euch versteckt?«, wiederholte er. »Vielleicht kann ich Zeugen zu eurer Entlastung finden und wenigstens aufzeigen, dass ihr den Eigentümer dieses Hauses nicht gewaltsam genötigt habt.«
    »Man nimmt dort Zuflucht, wo sie sich bietet«, lautete Nellys kryptische Antwort.
    Bis Hadrian seinen Rucksack gepackt und nach EmilysStute geschaut hatte, war es hell. Er hoffte inständig, dass Nellys Einfluss das Pferd vor den Kochtöpfen der Ausgestoßenen bewahren würde. Dann folgte er der ausgetretenen Straße

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