Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
Vom Netzwerk:
weg vom Hafen, hin zu dem Plateau, auf dem der Großteil der Bevölkerung wohnte. Je weiter er sich vom Wasser entfernte, desto weniger war von Kinzlers Verbesserungen zu sehen. Die vermeintliche Vogelscheuche auf einem Feld entpuppte sich als eine Frau. Sie stocherte mit einem Stock im harten Boden nach Kartoffeln herum, die von der Fäule verschont geblieben waren. Am anderen Ende des Ackers wühlte ein Ferkel, diesmal eindeutig zu erkennen, in einem Haufen erkrankter Knollen. Eine Gans mit gebrochenem Flügel watschelte vorbei.
    Am Rand des Friedhofs mühte sich ein klapperdürrer, hochgewachsener Mann mit einer Schaufel in der felsigen Erde ab. Bekümmert sah Hadrian die frischen Gräber, zumeist nur markiert mit einem primitiven Kreuz aus Kiefernzweigen oder einem hochkant gestellten flachen Stein. Es folgte eine Reihe schäbiger Hütten, bei denen zumindest die Dächer von den Segnungen der neuen Handelsbeziehungen zeugten. Zwei waren mit großen Stücken Plastikplane gedeckt, eine weitere mit einem Mosaik aus Autokennzeichen, die man wie Schindeln miteinander verdrahtet hatte.
    Hadrian glaubte einen Mann mit Gehstock wiederzuerkennen und hob als zögerlichen Gruß sein Kinn. Der Mann starrte ihn nur wütend an und hinkte weiter. Das ausgezehrte Gesicht würde zum Bestandteil seiner Alpträume werden.
    Von allen Gründern hatte Hadrian am hartnäckigsten nach Überlebenden gesucht und war immer weiter und weiter in Richtung der zerstörten Städte vorgedrungen, ohne auf Jonahs und Buchanans Warnungen zu hören. Die letzte Gruppe, auf die er stieß, umfasste zehn Personen am Rand eines Bachlaufs, wo sie nach essbaren Wurzeln und Amphibiengruben. Jeder Einzelne von ihnen war krank, entweder als Folge der Strahlung oder der Unterernährung. Sie hießen ihn nicht etwa willkommen, sondern warfen mit Steinen nach ihm. Er musste hinter einem Baum in Deckung gehen und ihnen zurufen, wer er war und wohin er sie bringen wollte. Dann leerte er seine Provianttasche und sah dabei zu, wie sie alles gierig herunterschlangen und das meiste gleich wieder erbrachen, weil ihre geschundenen Mägen das frische Getreide und Fleisch nicht vertrugen. Danach kreisten sie ihn ein, starrten ihn wild und hasserfüllt an, als wäre er für ihre Not verantwortlich, und fielen über ihn her. Sie zerrissen seine Kleidung und traten auf ihn ein, bis eine ältere Frau sie mit ihrer Krücke auf Abstand hielt. Nach der Ankunft in Carthage starb die Hälfte innerhalb weniger Wochen. Die andere Hälfte wurde einige Monate später verbannt. Da hatte Hadrian aufgehört, nach Überlebenden zu suchen.
    Nun setzte er sich auf einen Baumstumpf, verfolgte die morgendlichen Arbeiten und sann alten Zeiten nach. Töpfe mit Exkrementen wurden in die Senkgrube der Ansiedlung geleert. Ein Kind lief an ihm vorbei. Im Wald trillerte ein Vogel. Aus einem Stall bei den Bäumen meckerte eine Ziege und wollte gemolken werden. Ein anderes Kind lief an ihm vorbei. Als ein drittes Kind aus einem Haus gelaufen kam, stutzte Hadrian. Sie rannten alle zu dem Ziegenstall. Nein. Er stand auf und sah genauer hin. Sie wurden von dem Vogel in den Wald gerufen.
    Zwei Minuten später kauerte er hinter dem Stall und beobachtete, wie die Kinder sich bei einem schlaksigen blonden Jungen versammelten, der neben einer zusammengerollten Decke saß. Dax sah nach der Reise erschöpft aus, aber die Kinder schienen ihm Kraft zu verleihen. Sie scharten sich neugierig um eine zerfledderte Zeitschrift, die er aus seiner Decke zog. Erst als er die Rolle beiseiteschob, erkannte Hadrianden Segeltuchbeutel, der über seiner Schulter hing, etwa so groß wie eine Kuriertasche. Hadrian wich ein Stück zurück. Dax hatte den toten Jonah um Worte gebeten, und nun hatte er tatsächlich welche zu überbringen.
    Der Junge wirkte geduldig und beinahe sanft, während er sich um die Kleinen kümmerte. Diese Güte war Hadrian neu. Dax benahm sich wie ein älterer Bruder. Hadrian stand auf und wollte schon zu ihm gehen, als der Wind sich legte und er einen Gesprächsfetzen aufschnappte. Der Junge sprach gerade über das Hochglanzfoto eines Verkehrsflugzeugs, dem Kinder hinterherwinkten. »Auf der anderen Seite bekommt jeder von uns so einen großen silbernen Vogel«, sagte Dax, »und wir fliegen darin bis hinter den Himmel und um die ganze Welt, einfach nur, weil wir es können.«
    Hadrian versteckte sich wieder. Einige Minuten später stand Dax auf, überließ den verblüfften Kindern die Zeitschrift und

Weitere Kostenlose Bücher