Die Asche der Erde
der Falle fangen; und indem er seine widersprüchlichen Überlegungen mit sich genommen hatte, war er an der Spitze seiner Gruppe durch einen anderen Höhlengang losgezogen, voller Jagdeifer und Zuversicht.
In Augenblicken größter Anspannung, wenn Subzwei ruhige Gelassenheit nötiger hatte als alles andere, pflegten sich Subeins' Emotionen in sein Bewußtsein zu drängen. So auch jetzt. Er zwang sie ärgerlich zurück und konzentrierte sich kalt und mit größtmöglicher Nüchternheit auf das Nächstliegende. Er hatte beschlossen, sich dieser letzten Pflicht zu entledigen und dann die Verbindung zwischen sich und Subeins zu unterbrechen, koste es, was es wolle.
Seine Gedanken kehrten immer wieder zurück zu Mischa, diesem ebenso eigensinnigen wie intelligenten Kind, dem es bestimmt schien, unter den Händen seiner Verfolger den Tod zu finden oder für immer im Untergrund gefangen zu sein, und am liebsten hätte er alle Zeit und alle Ereignisse seit der Auseinandersetzung in der Schänke rückgängig gemacht.
Die transportable Dusche hatte während des Tagesmarsches ein Leck davongetragen, und man hatte nichts mitgenommen, um den Riß wirksam abzudichten. Subzwei hatte seit bald vierundzwanzig Stunden weder gebadet noch geduscht und fühlte sich schmutzig und verschwitzt. Obwohl das Miasma nicht mehr so schlecht war, seit Subeins die Hälfte ihrer Gefolgsleute mit sich genommen hatte, litt Subzwei unter den Gerüchen der Männer, die noch um ihn waren, ihrem Schweiß und ihren Ausscheidungen, ihren aufgeregten, zornigen und ängstlichen Emotionen. Die Maschinen waren wenig besser, denn man hatte sie für die Jagd hastig zusammengebaut, und sie strömten Gerüche von Schmiermitteln und Ozon aus. Er war nicht mit ihnen zufrieden; er haßte alle unvollkommen ausgeführte Arbeit. Sie liefen sehr geräuschvoll, und die Lampen, die sie trugen, blitzten grell und willkürlich über die Höhlenwände. Wenn er sich tagsüber in ihrer Nähe aufhielt, hatte Subzwei das Gefühl, während eines Wirbelsturms in einem Ruderboot zu sitzen.
Als sein Zelt aufgebaut war, ging er durch das Lager und verweilte kurze Zeit bei Galiana, die vor den Kontrollbildschirmen Dienst tat. Sie hatte elf trübe und von Störungen heimgesuchte Bildschirme zu überwachen, die Wiedergaben von Höhlen und unterirdischen Wasserläufen und leblosem Stein zeigten. Ein zwölfter Bildschirm, dessen Sender zerstört worden war, blieb tot. Subzwei wünschte, sie könnten die Szenen im realen Zeitablauf beobachten, statt in der unruhigen Wiedergabe von vier zeitlich auseinanderliegenden, einander überlagernden Aufnahmen, aber der massive Fels machte Direktübertragungen unmöglich. Sie konnten nur nach Antennenleitern Ausschau halten, Übertragungsstellen einrichten und hoffen, daß Späher in Reichweite waren. Er ließ den Blick über die Bildschirme gehen.
»Hat sich diese Kreatur wieder blicken lassen?«
»Nein. Auch nichts anderes. Ich werde Sie verständigen, wenn es Neuigkeiten gibt.«
Subzwei bemerkte, daß er sie wahrscheinlich beleidigt hatte: Durch die Frage hatte er zu verstehen gegeben, daß es ihr an der Intelligenz fehlen mochte, ihn von einer Veränderung zu unterrichten. Schuld war seine allzugroße Gewöhnung an informationsverarbeitende Maschinen, die Fragen benötigten, um Informationen ausgeben zu können. Manchmal wünschte er sich, er selbst wäre eine Maschine, eine mit leicht löschbarem Gedächtnisspeicher; er konnte nicht den flüchtigen Anblick des deformierten menschlichen Wesens vergessen, den ihnen die Maschine aus dem Randbereich der Funkverbindung einige Sekunden lang übermittelt hatte, bevor das froschartige Ungeheuer über sie hergefallen war und ihren Sendungen ein Ende gemacht hatte. Später hatten sie den Ort des Überfalls passiert, aber nichts gefunden als ein paar zerbrochene Teile. Und danach nichts mehr, jedenfalls nichts Konkretes, nichts als fragwürdige Spuren und ein ungeheures, lichtloses Labyrinth.
Subzwei schlief unruhig in nervöser Erschöpfung, und als er von Geräuschen geweckt wurde, fühlte er bleierne Schwere in den Gliedern. Jemand schlug mit einem Stock oder Gegenstand gegen die ballonartig aufgeblasene Zeltwand. »Was ist los? Wer ist dort?«
Draco riß den Zeltverschluß auf und trat in seiner theatralischen Art durch die Eingangsöffnung. Sein mahagonibraunes Gesicht war verschwitzt, und ein lehmiger Schmierer zog sich von seinem hohen Backenknochen über die Wange. »Wir sind
Weitere Kostenlose Bücher