Die Asche der Erde
vergleichsweise bescheiden eingerichteten Vorzimmer, wartete er, ein wenig unruhig wegen des Fehlens massiver Türen. Die offenen, nur mit Vorhängen versehenen Durchgänge ließen keine Zurückgezogenheit zu. Das verriet manches über die Menschen, die hier lebten: Die Mitglieder der regierenden Familie schienen untereinander Distanz zu halten, und die Bediensteten waren als Menschen nicht wichtig genug, als daß ihre Meinungen eine Rolle spielten. Diese Verhältnisse widersprachen unmittelbar dem rosaroten Vorstellungsbild Subzweis von der Art und Weise, wie die Wirklichkeit sein sollte, einem Bild, das immer mehr Trübungen und Verzerrungen erfuhr, je öfter er gezwungen war, es den realen Verhältnissen anzugleichen.
Subeins wanderte im Raum umher, öffnete Schubladen und Schränke.
»Was findest du?«
»Nichts«, sagte Subeins. »Alkoholische Getränke, schmutzige alte Bücher.«
»Bücher? Gedruckte Bücher?«
»Sehr amüsant.«
»Was hat das zu bedeuten?« Der Herrscher war in der Türöffnung erschienen, mit einer ledernen Hose und offenem Hemd nur unvollkommen bekleidet.
Subzwei reagierte nicht auf den theatralischen Auftritt. »Wir hörten, daß Sie den Eignern von Schiffen eines bestimmten Typs Gastfreundschaft erweisen.«
»Und Sie sind Schiffseigner? Dieses Typs, von dem Sie reden?«
Die dunkelhäutige Sklavin erschien, kniete vor Blaisse nieder und legte ihm einen silbernen Gürtel um. Darauf knöpfte sie ihm das Hemd und die Hose zu. Trotz ihrer makellosen nackten Gestalt und dem seltsam bläulichen Hauch ihres Haares und ihrer Haut schien er sie nicht zu bemerken. Subzwei verspürte den Wunsch, sie aufzurichten und zu fragen, ob sie keinen Stolz und keine Würde habe. Dann befestigte sie eine geflochtene, fleckige Lederpeitsche an Blaisses Filigrangürtel, und Subzwei stellte seine Frage nach der Würde zurück.
»Unser Schiff ist auf dem Landeplatz«, sagte er.
Blaisse sah an ihm vorbei und bemerkte die herausgezogenen Schubladen, die Unordnung in den Schrankregalen. »Was hat diese Farce zu bedeuten? Yale!«
Die Wächterin kam herein und verneigte sich.
»Ich dachte, ich hätte mich deutlich genug ausgedrückt: Niemand aus dem Zentrum hat hier Zutritt.«
»Diese Leute sind gerade gelandet«, sagte sie.
»Reden Sie kein dummes Zeug!«
»Sie sind mit einem Schiff gelandet. Auf dem Feld. Im Sturm.« Subzwei beobachtete die Veränderung in Blaisses Gesichtsausdruck, als der Herrscher in die von der Sklavin gehaltene Lederjacke fuhr: Verärgerung, Bestürzung vermischt mit Skepsis, und schließlich Neugierde. Er holte tief Atem und richtete sich auf, als wollte er sie zur Rede stellen, besann sich jedoch eines anderen und trat plötzlich auf sie zu. »Im Sturm?«
»Ja«, sagte Subzwei.
Blaisses Haltung veränderte sich abermals. »Das glaube ich nicht.«
»Sie wären gut beraten«, sagte Subeins mit massiver Ruhe, »uns nicht Lügner zu nennen.«
»Drohen Sie mir nicht!«
»Wir sind gekommen, um mit Ihnen zu sprechen«, sagte Subzwei. Blaisse hatte in einer Weise recht; die Zeit für Drohungen war noch nicht gekommen. »Wir suchen ein Gespräch, sonst nichts.« Dies schien nicht der Mann zu sein, von dem man ihnen erzählt hatte; die Beschreibung war von Verachtung gefärbt gewesen, aber Subzwei stand keinem verächtlichen Mann gegenüber. Unberechenbar vielleicht und widerwärtig, aber es waren auch Selbstsicherheit, Entschlußkraft und Macht in ihm, wenn sie sich auch seltsam mit Grausamkeit und kindischen Regungen mischten.
»Worüber wollen Sie mit mir sprechen, daß Sie im Winter hierhergekommen sind?«
»Über die Teilung der Macht.«
Der Wächterin stockte der Atem, und sie tastete unwillkürlich nach dem Abzug ihrer Waffe; sie zumindest nahm diese Worte als Drohung auf. Aber Blaisse reagierte kaum.
»Dies hier ist mein«, sagte er ruhig. »Hier gehorchen Sie meinen Befehlen.«
»Daß Sie das sagen würden, hat er uns prophezeit.«
Subzwei wünschte, Subeins hätte nicht gesprochen, aber nun war es zu spät; die Erregung, die sich seines Pseudozygoten angesichts drohender Gewalt bemächtigt hatte, griff auf ihn über. Aber Subeins' Erregung vermochte sein wachsendes Schuldbewußtsein nicht ganz zu überspielen.
»Wer?«
»Ein Ihnen verbundener Charterreeder. Sie haben kürzlich ein Schiff verloren, nicht wahr?«
»Sie!«
Blaisse beherrschte mit Mühe seine aufkommende Verärgerung, ließ sich in einen Sessel nieder und streckte die Beine von sich. »Wir nahmen an,
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