Die Asche der Erde
begriff Subzwei nach und nach, daß er nicht ›Blut‹ meinte, sondern Genetik, biologische und soziale Beziehungen. Es war eine höchst lächerliche Art und Weise, Allianzen zu bilden, wenn auch nicht lächerlicher als manche anderen, die er kennengelernt hatte. Es war die Art und Weise, wie die Stadt regiert wurde.
Er sah, daß er die Wahl zwischen dem Sichabfinden mit der bestehenden Situation und einem ausgedehnten Konflikt hatte. Seine und seines Partners Leute konnten den Palast leicht in ihre Gewalt bringen; sie konnten ihn sogar autark machen. Aber sie würden in einer abgeschlossenen und belagerten Zitadelle sitzen, ohne Verbindungen und Austausch mit dem Zentrum. Eine Zitadelle konnten sie überall haben. Aber die alte Erde war ein Ort, wohin keine Amtsperson der Sphäre jemals kommen würde; und Subeins hatte diesen Punkt auf dem Planeten wegen der Stadt und ihrer Ressourcen ausgewählt.
Subzweis Enthusiasmus für diese Eroberung ließ rasch nach, denn er sah, daß sie später innerhalb der Grenzen würden wirken müssen, die andere gezogen hatten. Er fragte sich, ob es das war, was er angestrebt hatte: eine Rückkehr zur alten Geschichte, wo die Mächtigen ihre Kinder in dynastischen Heiraten untereinander austauschten.
»Vielleicht«, meinte Subeins in beiläufigem Ton, den Blick noch immer auf die junge Wächterin fixiert, »könnten diese Partnerschaften neu geordnet werden.«
Blaisse starrte ihn sekundenlang an, dann begann er zu lachen, laut und bellend. Er hörte erst damit auf, als Subzwei sich halb aus seinem Sessel erhob, obwohl er keine Furcht zeigte.
»Eine ›Neuordnung‹ der Familien kann es nicht geben«, sagte er. »Mein Blut ist ihr Blut. Die Bande sind unzerreißbar. Die Familien würden lieber sterben als kapitulieren.«
»Dann würde unser Problem nicht mehr existieren.«
Subeins beugte sich angelegentlich vor, wobei seine Hand wie zufällig an den Griff seiner Laserpistole herangeführt wurde. Yale beobachtete ihn mit mißtrauischer Anspannung.
»Auch Sie würden dann nicht mehr existieren, noch die Stadt«, sagte Blaisse. »Das Zentrum erzeugt seinen Energiebedarf durch einen Atomreaktor, der nach dem Prinzip der Kernspaltung arbeitet. Soweit ich unterrichtet bin, ist es nicht schwierig, durch
Unterbrechung des Kühlwasserkreislaufs eine kritische Situation herbeizuführen.«
Subzwei war von der bloßen Idee eines schmutzigen Atomreaktors angewidert; daß ein denkender Mensch, zivilisiert oder nicht, auch nur mit dem Gedanken spielte, eine solche Höllenmaschine zur Explosion zu bringen, war unvorstellbar.
Blaisse schmunzelte. »Im übrigen bin ich für diese Position viel besser geeignet als Sie. Sie würden todunglücklich sein, wenn Sie den Rest Ihres Lebens auf die Enge des Zentrums beschränkt wären. Aber ich bin ein vernünftiger und umgänglicher Mann, und ich verbünde mich gern mit jedem, der unsere jahreszeitliche Isolation überwinden kann.«
»Wir werden keine Untergebenen sein.«
»Die Beziehung könnte in geschäftsmäßiger Form geregelt werden.« Er streckte die Hand aus und tätschelte seiner Sklavin wie einem Hund geistesabwesend den Kopf.
Subzwei überprüfte seine Vorstellungen und Erwartungen vom Verlauf dieser Unterredung. Die Dinge nahmen eine nicht ganz vorhergesehene Wendung, aber er konnte sie akzeptieren und sich sogar mit ihnen zufriedengeben. Subeins stand auf und schlenderte durch den Raum. Seine Haltung verriet Subzwei, daß er weder erfreut noch resigniert war. Neben dem Anschluß der Sprechanlage machte er halt und berührte spielerisch die Knöpfe. Für jeden anderen hatte es den Anschein, als befingerte er sie ohne irgendeine Absicht, aber Subzwei wußte, daß er Schlüsse auf die Leistungsfähigkeit der Anlage zu ziehen suchte.
»Warum sollten wir Ihnen glauben, was Sie über diese ›Familien‹ sagen?«
Blaisse hob mit einem Ruck den Kopf zu Subeins, und seine Stimmung schlug von einem Augenblick zum nächsten um. Er erhob sich aus seinem Sessel und stand zornbebend. »Meinen Sie, es kümmert mich, ob Sie oder Ihr Abschaum mir glauben?«
Subeins sagte in die Sprechanlage: »Draco?«
»Hier«, antwortete Draco in seiner lakonischen Art. »Alles in Ordnung.«
Subeins betrachtete Blaisse und seine Erbitterung mit Gelassenheit. »Wir haben den Palast unter Kontrolle.«
»Unter Kontrolle? Meine Geduld ist am Ende. Wenn Sie den Schutz meiner Allianzen ablehnen, dann versuchen Sie Ihre eigenen zu schließen. Ich werde Sie in der
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