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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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von verbranntem Fleisch war noch hier spürbar, aber sie zeigte keine Reaktion.
    »Diese Herren werden von nun an in der zweiten Etage wohnen, Madame«, sagte Blaisse. Subzwei hörte heraus, daß die Anrede mit dem Titel kein Ausdruck von Respekt war, sondern nur eine Gewohnheit, die vielleicht höhnischer Natur war.
    Die Frau verneigte sich leicht. »Es ist bereit, Herr.«
    »Sie haben ihre Leute bei sich.«
    »Ich werde mich darum kümmern.« Sie wandte sich zu den Besuchern. »Wenn Sie bitte mit mir kommen wollen.«
    Blaisse stand auf und nickte. »Ich werde Sie begleiten.«
    Die Frau verneigte sich wieder, ohne eine Miene zu verziehen. Subzwei hielt nach Anzeichen von Haß, Abneigung oder auch nur Widerwillen Ausschau, aber es gab keine. Es gab auch keine Anzeichen, die auf Bewunderung oder Respekt hindeuteten. Die Verbeugungen und Worte waren ohne Empfindung. Subzwei konnte sich nicht denken, von welcher Art die Beziehungen zwischen Blaisse und dieser Frau waren, die er ›Madame‹ nannte.
    Sie ging voraus durch einen Korridor und in ein Steigrohr. Subzwei schüttelte den Kopf über die Energieverschwendung, die mit dem Gebrauch eines so wertlosen Spielzeugs einherging, um so mehr als die Energieversorgung der Stadt nur durch schmutzige und gefährliche Atomspaltung erzeugt wurde, statt durch Kernfusion oder Antimaterie.
    Blaisse zuckte die Achseln, als Subzwei darlegte, daß ein Aufzug sehr viel praktischer und energiesparender wäre. »Mir gefällt es so.«
    Sie sanken abwärts.
    Die zweite Etage ähnelte dem von Blaisse bewohnten Teil des Palastes, schien aber weniger ausgedehnt und bescheidener, wenngleich noch immer luxuriös ausgestattet. Gefolgt von seiner stillen, gehorsamen Sklavin, der Aufseherin und den beiden Fremden, schob Blaisse Vorhänge zur Seite und spähte um Ecken, stieß seine Sandalen in den weichen Teppichbelag und fuhr mit dem Zeigefinger auf Möbelstücken entlang. Er fand weder Staub noch Unordnung; diese Ebene war so sauber und wohlgepflegt wie alles, was Subzwei von der anderen gesehen hatte. Er wartete darauf, daß Blaisse der Aufseherin ein Kompliment mache, aber der Herrscher sagte nichts. Subzwei fühlte ein Bedürfnis, das Vakuum von ritualisierter Höflichkeit auszufüllen, blieb jedoch still.
    »Es stinkt hier unten«, sagte Blaisse in einem Ton, als atmeten sie die übelriechenden Ausdünstungen einer Kloake.
    »Ich bedaure, daß jeder unbewohnte Raum einen muffigen Geruch annimmt, Herr. Die Situation wird sich von selbst bereinigen.«
    Er grunzte und stapfte voran durch die mit Samt und Brokat ausgeschlagenen Räume. Subzwei fühlte sich von einer zunehmenden Nervosität überkommen. Nichts in diesem Ort war aus geraden Linien gebaut. Die aus dem anstehenden Fels geschlagenen Räume waren rund, oval oder, im schlimmsten Fall, beinahe rechteckig. Die Winkel waren niemals genau gleich, die Geraden krumm, die Böden ein wenig uneben. Subzweis Füße fühlten durch das dicke Material der Auslegeteppiche immer wieder kleinere Unregelmäßigkeiten. Er ertappte sich bei einer Fantasie, in der er zusammen mit Subeins über einen Teppich ging, der nichts darunter hatte und mit ihnen in die Tiefe stürzte. Kopfschüttelnd befreite er sich von dem Tagtraum. In einer Höhlenstadt lebte man eben so. Und vielleicht waren alle diese Unregelmäßigkeiten der Psyche gewöhnlicher Menschen angepaßt. Die Leute erwarteten nicht, daß ihre Wohnungen mit den Toleranzen eines Präzisionsinstruments gebaut wurden.
    Blaisses wichtigtuerisches Gehabe beeinträchtigte Subzweis Entschlossenheit, sich mit der realen Welt auseinanderzusetzen. Blaisse störte ihn auf einer Ebene, die nicht einmal er analysieren konnte. Er schien nicht derselbe Mann zu sein, von dem jener Schiffsreeder ihnen erzählt hatte. Subzwei hätte ihn gern verächtlich abgetan, sah aber, daß Blaisse ein Mann war, den man nicht außer acht lassen durfte.
    »Wie Sie sehen«, sagte Blaisse, »ist der Steinpalast recht geräumig; Sie werden ihn nicht ganz benötigen.« Subzwei war seiner Sache nicht sicher, denn gewöhnliche Leute pflegten wetterwendisch und widerspruchsvoll zu sein, aber er hatte den Eindruck, daß Blaisse sich amüsierte. »Ja«, fuhr Blaisse fort, »wir müssen ein Fest veranstalten. Es wird mir ein Vergnügen sein, Sie mit den Familien bekannt zu machen.«
    Sie gelangten in eine Vorhalle, durch die ein kleiner Wasserlauf strömte, überbrückt von zierlichen, filigranhaften Brücken aus versilbertem Metall.

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