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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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gebeten. Folgen Sie, was die Ausbildung des Mädchens angeht, Ihrem eigenen Urteil.«
    »Das versuche ich zu tun.« Hikarus Ton hob sich in Verärgerung, was Subzwei mit Interesse vermerkte, kannte er den anderen doch als einen ungemein ausgeglichenen Menschen. Er konnte sich nicht erinnern, ihn jemals zornig oder auch nur mißmutig gesehen zu haben.
    »Worum handelt es sich?« fragte er geduldiger.
    »Ich möchte Sie bitten, Mischa bei ihrer Mathematik zu helfen.«
    »Ich – ihr helfen? Wenn Sie nicht in der Lage sind, ihr einfache Arithmetik beizubringen ...«
    Jan schien von dem Ausbruch nicht gekränkt. »Sie kann bereits rechnen«, sagte er ruhig. »Inzwischen arbeitet sie mit Gleichungen zweiten Grades und beschäftigt sich schon mit der Differentialrechnung. Damit geht sie über das hinaus, was ich weiß.«
    »Dann wissen Sie weniger, als ich dachte.«
    »Nein, ich wußte mehr, als Sie von mir wissen wollten.«
    Subzwei räumte ein, daß das möglich war; er hatte Hikaru nicht um sein Wissen ausgequetscht, sondern sich lediglich vergewissert, daß er genug wußte, um bei den laufenden Arbeiten mit einzuspringen. »Also, was wollen Sie mir sagen?«
    »Mit der richtigen Hilfe und Förderung kann sie es weit bringen. Sie ist ein mathematisches Naturtalent, hatte bloß nie eine Gelegenheit, die Fähigkeit zu entwickeln.«
    »Haben Sie ihre neuralen Reaktionen getestet?«
    »Die brauche ich nicht zu testen«, erwiderte Hikaru ungeduldig. »Ich habe jetzt seit mehreren Wochen mit ihr gearbeitet.«
    »Dann schicken Sie das Mädchen zu mir, und ich werde es testen. Wir werden sehen.« Er dachte bereits an Mittel und Wege, wie man Talent vortäuschen konnte; wenn es ein Trick war, dann würde sie es sehr schlau anfangen müssen.
    Die Antwort schien Jan Hikaru kaum zufriedenzustellen, aber Subzwei war nicht geneigt, eine Entdeckung zu preisen, die er nicht selbst überprüft hatte; sein Enthusiasmus ging in andere Richtungen. »Wird das genügen?« fragte er ironisch.
    »Sie braucht nur eine Chance«, sagte Jan. »Hier im Zentrum gibt es keine für sie.« Er drehte sich um und ging.
    Erleichtert, wieder allein zu sein, beugte sich Subzwei über die Sprechanlage und drückte die Nummer des Gemeinschaftsraumes. Nach kurzer Wartezeit meldete sich Draco.
    »Wie gehen die Arbeiten an Bord voran?«
    »Ziemlich planmäßig. Wir sind vielleicht zwei, drei Tage im Rückstand, hauptsächlich wegen Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung.«
    »Dann sollten wir in ein paar Wochen fertig sein.«
    »Ich gehe davon aus. Natürlich kann immer etwas dazwischenkommen.«
    »Wie rasch können wir das Schiff im Notfall startklar machen?«
    »Ist was passiert? Im Notfall gibt es nichts, was nicht in zwei, drei Tagen improvisiert werden könnte.«
    »Gut. Vorerst ist alles in Ordnung, aber ich möchte in der Lage sein, kurzfristig zu starten, sollte es sich als notwendig erweisen.«
    Draco stieß ein bellendes Lachen aus, kurz und abgehackt, das Subzwei zu verdrießen und Subeins zu erheitern pflegte; Draco gab sich gern antiintellektuell und quittierte Versuche, ihn in mehrsilbige Gespräche zu ziehen, mit Geringschätzung.
    »In Ordnung«, sagte er. »Sagen wir fünf Tage?«
    »Danke.« Dracos Tüchtigkeit war so groß, daß Subzwei ihm seine Respektlosigkeiten nachsah. Er schaltete die Sprechanlage aus und schritt durch die beruhigende Umgebung seiner reinlichen, nüchternen Räume, entschlossen, jetzt gleich mit seinem Pseudozygoten zu sprechen und diese Sache hinter sich zu bringen; eine solche Gelegenheit, ihn zu verspotten, würde Subeins sich schwerlich entgehen lassen.
    Er öffnete die Tür, um hinauszugehen, und prallte mit Mischa zusammen, die im Begriff gewesen war, anzuklopfen. »Ach –du bist es.«
    »Jan sagte, Sie wollten mich sprechen«, sagte sie.
    »Ihr scheint es mächtig eilig zu haben.«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich kann ein andermal wiederkommen.« Sie sah nicht wie ein Genie irgendwelcher Art aus, eher wie eine eigensinnig-mürrische, etwas vernachlässigte Jugendliche. Sie hatte dieselben Kleider an, in denen sie gekommen war, und wenn sie auch nicht ausgesprochen schmutzig aussah, so war sie doch alles andere als fleckenlos. Sie war selbstbewußt, aber noch nicht arrogant, und in ihren grünen Augen war nichts von dem Eigendünkel, den man von einem soeben zum Genie ernannten Kind erwarten würde.
    »Was sagte Jan Hikaru dir, als er dich zu mir schickte?«
    »Eben sagte er nur, daß Sie mich sprechen wollten.

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