Die Asche der Erde
geeignet wären, das Voranschreiten seines Verlangens nach ihr aufzuhalten und eine sichere Distanz wiederherzustellen. Freie und Sklaven hatten nur eine Art von Beziehung, die von ihrem unterschiedlichen Status diktiert wurde. Der Freie befahl, der Sklave gehorchte. Und eines Tages würde der erstere des letzteren überdrüssig sein, oder der letztere würde sich etwas zuschulden kommen lassen. Es gab kein Glück, nur Sättigung für einen, Vernichtung für den anderen.
»Wissen Sie, worüber wir sprachen?«
»Es ist meine Pflicht zu wissen ...«
»Hören Sie auf!« rief er erregt. »Wie können Sie so zu mir sprechen? Ich könnte es ertragen, wenn Sie mich haßten, aber Sie fühlen gar nichts !«
»Ich fühle«, sagte sie. Es war so schön, wie er zwischen Selbstsicherheit und Verletzlichkeit schwankte, mit seinen tiefen Augen zu sprechen versuchte. »Ich fühle. Ich wurde als Mensch geboren.« Sie sagte zuviel; nach all den Jahren, die sie gelehrt haben sollten, sich zu schützen, war sie noch immer imstande, ein unkluges Wort zu sagen und ihr Leben wegzuwerfen.
»Verstehen Sie, warum ich versuchte, Sie zu ... zu kaufen?«
»Es war nicht notwendig.« Daß Subzwei daran gedacht hatte, Blaisse zwischen sie zu stellen, daß die Erlaubnis des Herrn ihre Erniedrigung aus Subzweis Gewissen löschen würde, machte alles nur noch schlimmer. Sie war einfältig, gehofft zu haben, daß jemand, der sich bereits im Besitz der Freiheit befand, sich weigern mochte, aus der Sklaverei anderer Nutzen zu ziehen.
»Nein«, sagte Subzwei. »Nicht notwendig, aber sicherer. Wenn Sie mir gehörten, könnte er Sie nicht verletzen, und Sie würden sicher sein, bis wir abreisen könnten. Nun werden wir vorsichtiger sein müssen.«
»Vorsichtiger ...?«
»Vielleicht war ich einfältig. Er könnte erraten haben, daß ich ... ich ...« Subzwei brach ab, schüttelte den Kopf und nahm einen neuen Anlauf. »Er könnte versuchen, sich an mir zu rächen, indem er Ihnen Schaden zufügt. Wir dürfen ihm keine Gelegenheit dazu geben. Obwohl ich keine Ursache habe, ihn zu fürchten, würde es gefährlich sein, ihn gegen uns aufzubringen, solange das Schiff nicht startbereit ist; darum müssen wir so tun, als ob alles normal wäre. Geben Sie also acht.«
Sie hatte sich die Fähigkeit anerzogen, in allen Situationen zu reagieren, als ob nichts sie zu überraschen oder zu verwirren vermöchte; sie hatte keine nervösen Gewohnheiten. Doch nun war sie nahe daran, die Fassung zu verlieren. Sie stand ganz still und versuchte, sich auf ihr Atmen zu konzentrieren. »Was meinen Sie?« flüsterte sie dann.
»Blaisse will Ihnen die Freiheit nicht geben, darum müssen wir sie von ihm nehmen.«
Sie starrte ihn an. Nach den Gesetzen des Steinpalastes war seine Macht über sie vollkommen. Sie fragte sich, ob er versuchte, Gefühle von Dankbarkeit in ihr zu wecken, damit sie willig zu ihm käme. Andererseits konnte er den Anschein von Willigkeit, ob echt oder unecht, einfach befehlen. Aber sein Temperament war zuweilen so erfinderisch, daß sie beinahe an seine Aufrichtigkeit glauben konnte.
»Das Schiff wird bald startbereit sein, und wir können die Erde verlassen. Dann werden Sie frei sein; frei, mich nach Ihrem eigenen Willen anzunehmen oder abzuweisen.«
»Die Erde verlassen?«
In seinem Gesicht waren neue, angespannte Linien, die sich tief in seine Züge gruben. »Sie werden mitkommen? Ich verspreche Ihnen, was ich eben sagte; ich gebe Ihnen mein Wort. Ich weiß, was Gefangenschaft ist. Ich würde keine Demonstration der Dankbarkeit verlangen.«
»Ich darf nicht davon sprechen«, sagte sie, ihre grenzenlose Verwunderung in Befürchtungen erstickend.
»Sie ... ziehen es vor, hierzubleiben?«
»Nein!« Sie holte tief Atem, beruhigte sich und öffnete die geballten Fäuste. »Nein. Aber ich darf mit Ihnen nicht über die Zukunft sprechen. Wenn ich es täte, würde ich hoffen, und wenn ich hoffte, würde der Herr es bemerken.«
Subzweis Gesicht entspannte sich; sein Ausdruck kam einem natürlichen Lächeln nahe. »Dann haben wir nichts gesagt. Und wir werden nichts sagen, bis mein Schiff startklar ist. Bald.«
Sie trennten sich, und keiner machte Anstalten, den anderen zu berühren. Sie ging mit dem Wissen, daß die nächsten Tage die schwierigsten von allen schwierigen Tagen ihrer Sklaverei sein würden.
10
Gemmi expandierte durch Mischas Bewußtsein, lachend vor Vergnügen, obschon gezwungen, sie aufzusuchen. Mischa krümmte sich.
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