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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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auszusehen wie ein Botenjunge, der etwas frei Haus liefert, und niemand sagt ein Wort.
    Malachy und Michael sind völlig aus dem Häuschen, als sie sehen, was in dem Karton ist, und bald stopfen sie dicke Stullen in sich hinein, verschwenderisch mit goldener Orangenmarmelade beschmiert. Alphie hat die Orangenmarmelade überall im Gesicht und im Haar und auch noch ziemlich viel auf den Beinen und auf dem Bauch. Wir spülen das Essen mit kaltem Tee hinunter, weil wir kein Feuer haben.
    Mam murmelt wieder, sie will Limonade haben, und ich gebe ihr die halbe zweite Flasche, damit sie still ist. Sie will noch mehr, und ich fülle die Flasche mit Wasser auf, um die Limonade zu strecken, weil ich mein Leben nicht damit verbringen kann, Limonade aus Kneipen zu stehlen. Wir amüsieren uns prächtig, bis Mam im Bett zu toben beginnt, daß man ihr die süße kleine Tochter genommen hat und die Zwillinge bevor sie noch drei Jahre alt waren und warum nimmt Gott nicht mal zur Abwechslung die Reichen zu sich und haben wir vielleicht Limonade im Haus? Michael möchte wissen, ob Mam sterben wird, und Malachy sagt ihm, man kann nicht sterben, bevor
ein Priester kommt. Dann fragt Michael sich, ob wir je wieder ein Feuer und heißen Tee kriegen werden, weil er sogar unter den Mänteln aus alten Zeiten im Bett erfriert. Malachy sagt, wir könnten von Haus zu Haus gehen und um Torf und Kohle und Holz bitten und Alphies Kinderwagen mitnehmen, um dann die Ladung zu transportieren. Wir sollten Alphie mitnehmen, denn er ist klein und lächelt, und die Leute werden ihn sehen, und Alphie und wir werden ihnen leid tun. Wir versuchen, den ganzen Schmutz und Mulm und die Federn und klebrige Orangenmarmelade von Alphie abzuwaschen, aber sobald wir mit Wasser in seine Nähe kommen, heult er los. Michael sagt, im Kinderwagen wird er doch sowieso wieder dreckig, wozu ihn also waschen. Michael ist klein, aber er sagt immer so bemerkenswerte Sachen.
    Wir schieben den Kinderwagen zu den reichen Avenuen und Straßen, aber wenn wir an die Türen klopfen, sagen uns die Dienstmädchen, verschwindet, oder sie werden die zuständigen Stellen rufen, und es ist eine Schande, ein Baby in so einem Wrack von einem Kinderwagen durch die Gegend zu kajolen, welches zu den Himmeln stinkt, so ein verdrecktes Vehikel, kein Schwein möchte man damit zum Schlachthof karren müssen, dabei leben wir hier in einem katholischen Land, wo Babys geliebt und gehätschelt und am Leben gehalten werden sollten, damit sie den
Glauben von Generation zu Generation weiterreichen. Malachy sagt zu einem Dienstmädchen, sie soll ihn bitte schön am Arsch lecken, und sie haut ihm dermaßen eine runter, daß er Tränen in den Augen hat und sagt, nie wieder wird er die Reichen um etwas bitten. Er sagt, Bitten hat sowieso keinen Zweck mehr, wir sollten von hinten an die Häuser herangehen, über die Mauern klettern und uns nehmen, was wir wollen. Michael kann vorne klingeln, um die Dienstmädchen abzulenken, und Malachy und ich können Kohle und Torf über die Mauer werfen und den Kinderwagen um Alphie herum vollmachen.
    Auf diese Weise sammeln wir bei drei Häusern, aber dann wirft Malachy ein Stück Kohle über eine Mauer und trifft Alphie, und der fängt an zu plärren, und wir müssen wegrennen, wobei wir Michael vergessen, der immer noch an Türen klingelt und sich von Dienstmädchen beschimpfen läßt. Malachy sagt, wir sollten zuerst den Kinderwagen nach Hause bringen und dann Michael holen. Wir können jetzt nicht zurück, denn Alphie brüllt, und die Leute sehen uns böse an und sagen uns, wir sind eine Schande für unsere Mutter und für Irland ganz allgemein.
    Als wir wieder zu Hause sind, dauert es etwas, bis wir Alphie unter der Ladung Kohle und Torf ausgegraben haben, und er hört nicht auf zu schreien, bis ich ihm ein Brot mit Orangenmarmelade
gebe. Ich habe Angst, daß Mam aus dem Bett springt, aber sie murmelt immer nur von Dad und Suff und toten Babys.
    Malachy kommt mit Michael zurück, der uns von seinen großen Klingelabenteuern erzählt. Eine reiche Frau ging selbst an die Tür und bat ihn in die Küche und gab ihm Kuchen und Milch und Marmeladenbrot. Sie fragte ihn über seine Familie aus, und er sagte ihr, sein Vater hat einen großen Job in England, aber seine Mutter liegt mit einer üblen bösen schlimmen Krankheit im Bett und schreit morgens, mittags und abends nach Limonade. Die reiche Frau wollte wissen, wer für uns sorgt, und Michael prahlte, daß wir selbst für

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