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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Keating hatte, der ihr, als er Getränke zu sich genommen hatte, sagte, du bist eine dicke, fette, alte Kuh, geh doch zurück zu deiner Mutter. Das erzählte Oma Mam, und deshalb war kein Platz für uns in Omas Haus. Bei ihr wohnten nun schon sie selbst, Tante Aggie und ihr Sohn Pat, der mein Onkel und gerade unterwegs war, Zeitungen verkaufen.
    Tante Aggie beschwerte sich, als Oma ihr sagte, daß Mam in dieser Nacht bei ihr schlafen mußte. Oma sagte, nun mach doch bloß den Mund zu. Nur die eine Nacht, das bringt dich doch nicht um, und wenn’s dir nicht paßt, kannst du zu deinem Mann zurück, wo du auch hingehörst, anstatt zu mir ins Haus gerannt zu kommen. Jesus, Maria und heiliger Joseph, sehts euch dieses Haus an – du und Pat und Angela und ihre amerikanische Rasselbande. Wird mir wohl am hinteren Ende meines Lebens ein wenig Friede beschieden sein?
    Sie breitete Mäntel und Lumpen auf dem Fußboden des kleinen Hinterzimmers aus, und da schliefen wir dann beim Fahrrad. Dad blieb auf einem Stuhl in der Küche, brachte uns aufs Klo im Hinterhof, wenn wir’s brauchten, und in der
Nacht beruhigte er die Zwillinge, wenn sie vor Kälte weinten. Am Morgen kam Tante Aggie, um ihr Fahrrad zu holen, und sagte, paßts doch mal auf, gehts mir doch mal aus dem Weg.
    Als sie weg war, sagte Malachy immer wieder, paßts doch mal auf, und ich konnte hören, wie Dad in der Küche lachte, bis Oma herunterkam und er Malachy sagen mußte, er soll ruhig sein.
    An dem Tag gingen Oma und Mam weg und fanden ein möbliertes Zimmer in der Windmill Street, wo Tante Aggie mit ihrem Mann Pa Keating eine Wohnung hatte. Oma zahlte die Miete, zehn Shilling für zwei Wochen. Sie gab Mam Geld für Essen, lieh uns einen Kessel, einen Topf, eine Bratpfanne, Messer und Löffel, Marmeladengläser, die wir als Tassen benutzen sollten, eine Decke und ein Kissen. Sie sagte, mehr kann sie sich nicht leisten, Dad soll mal seinen Arsch lüften, sich Arbeit suchen, stempeln gehen, bei der Gesellschaft des Hl. Vincent de Paul um Unterstützung bitten, von der Fürsorge leben. Das Zimmer hatte eine Feuerstelle, wo wir Wasser für unseren Tee kochen konnten oder ein Ei, falls wir je zu Geld kommen sollten. Wir hatten einen Tisch und drei Stühle und ein Bett, und Mam sagte, so ein großes Bett hat sie ja noch nie gesehen. Wir waren froh über das Bett, endlich, nach den Nächten auf dem Fußboden in Dublin und bei Oma. Es war nicht schlimm, daß wir zu
sechst in dem Bett waren; wir waren beieinander, weg von Großmüttern und gárdaí , Malachy konnte paßts-doch-mal-auf sagen, sooft er wollte, und wir konnten lachen, wenn uns danach war.
    Dad und Mam lagen am Kopfende, Malachy und ich am Fußende, die Zwillinge, wo es ihnen gerade am besten gefiel. Malachy brachte uns noch mal zum Lachen. Schlafts, schlafts, schlafts, sagte er, dann sagte er oy, und dann schlief er ein. Mam machte das leise Hink-hink-Geräusch, an dem man merkte, daß sie schlief. Im Licht des Mondes konnte ich die ganze Länge des Betts überblicken und sah, daß Dad noch wach war, und als Oliver im Schlaf weinte, griff Dad nach ihm und hielt ihn. Whscht, sagte er. Whscht.
    Dann fuhr Eugene auf und kreischte und zerrte an sich herum. Ah, ah, Mammy, Mammy. Dad setzte sich auf. Was? Was ist los, mein Sohn? Eugene weinte weiter, und als Dad aus dem Bett sprang und die Gaslampe anmachte, sahen wir die Flöhe – sie hüpften, sprangen, verbissen sich in unserem Fleisch. Wir hauten auf sie drauf, aber sie hüpften einfach weiter von Körper zu Körper, sie hüpften und bissen. Wir kratzten an den Bissen, bis sie bluteten. Wir sprangen aus dem Bett, die Zwillinge weinten, Mam stöhnte, o Jesus, kommen wir denn nie zur Ruhe! Dad goß Wasser und Salz in ein Marmeladenglas und betupfte
unsere Bisse. Das Salz brannte, aber er sagte, bald würden wir uns besser fühlen.
    Mam saß mit den Zwillingen auf dem Schoß bei der Feuerstelle. Dad zog sich seine Hose an und zerrte die Matratze vom Bett und auf die Straße hinaus. Er goß Wasser in den Kessel und in den Topf, stellte die Matratze gegen die Hauswand, drosch mit einem Schuh auf sie ein, sagte mir, ich soll ständig Wasser auf die Erde schütten, damit die Flöhe ertrinken, die hineinfallen. Der Mond von Limerick war so hell, daß ich Stücke davon im Wasser schimmern sah, und ich hätte gern die Mondstücke aufgeschöpft, aber wie konnte ich das mit den Flöhen, die mir an die Beine sprangen. Dad drosch weiter mit dem Schuh, und ich mußte

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