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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Kinder haben Sie, und ich selbst stamme aus Cork, und ich weiß, wie es ist, in Dublin zu sein, ohne auch nur zwei Pennies zu haben, die man gegeneinanderreiben kann. Dad sitzt am anderen Ende der Bank, raucht seine Zigarette, trinkt seinen Tee. So bleibt er sitzen, bis das Auto kommt, um uns durch die Straßen von Dublin zu fahren. Dad fragt den Fahrer, ob es ihm was ausmacht, am Hauptpostamt vorbeizufahren, und der Fahrer sagt, brauchen Sie eine Briefmarke oder was? Nein, sagt Dad. Ich habe gehört, sie haben da eine neue Statue von Cuchulain aufgestellt, um die Männer zu ehren, die neunzehn-sechzehn gestorben sind, und die würde ich gern meinem Sohn zeigen, der eine große Bewunderung für Cuchulain hegt.
    Der Fahrer sagt, er hat auch nicht den Schimmer einer Ahnung, wer dieser Cuchulain ist, aber es macht ihm nicht die Bohne aus, dort vorbeizufahren und anzuhalten. Vielleicht schaut er auch selbst mit rein und sieht sich den Grund für all die Aufregung an, denn er war, seit er ein kleiner Junge war, nicht mehr auf dem Hauptpostamt,
und die Engländer hätten es mit ihren großen Kanonen von der Liffey her fast kleingekriegt. Er sagt, die Einschüsse sieht man überall an der Vorderfront, und man sollte die da drinlassen, um die Iren stets an die englische Perfidie zu erinnern. Ich frage den Mann, was Perfidie ist, und er sagt, frag deinen Vater, was ich gerade tun will, aber da halten wir vor einem großen Gebäude mit Säulen, und das ist das Hauptpostamt.
    Mam bleibt im Auto, während wir dem Fahrer in die Hauptpost folgen. Da ist er, sagt er. Da ist euer Mann Cuchulain.
    Und ich spüre, wie mir die Tränen kommen, weil ich ihn endlich ansehen kann – Cuchulain auf seinem Sockel im Hauptpostamt. Er ist golden, und er hat langes Haar, er läßt den Kopf hängen, und auf seiner Schulter hockt ein großer Vogel.
    Der Fahrer sagt, worum geht es hier denn überhaupt in Gottes Namen? Was macht der Bursche da mit den langen Haaren und dem Vogel auf der Schulter? Und könnten Sie mir freundlichst erklären, Mister, was das mit den Männern von neunzehn-sechzehn zu tun hat?
    Dad sagt, Cuchulain hat bis ans Ende gekämpft, wie die Männer der Osterwoche. Seine Feinde hatten Angst davor, sich ihm zu nähern, bis sie sicher waren, daß er tot war, und als der Vogel auf ihm landete und von seinem Blut trank, wußten sie es.

    Na, sagt der Fahrer, das ist ein trauriger Tag für die Männer von Irland, wenn sie einen Vogel brauchen, damit er ihnen sagt, daß ein Mann tot ist. Ich glaube, wir gehen jetzt lieber, sonst verpassen wir noch diesen Zug nach Limerick.
     
     
    Die Frau des Sergeants hatte gesagt, sie schickt Oma ein Telegramm, damit sie uns in Limerick abholt, und da stand sie auf dem Bahnsteig, Oma, mit weißem Haar, verdrießlichem Blick, einem schwarzen Umhang und keinem Lächeln für meine Mutter oder irgendeinen von uns, nicht mal meinen Bruder Malachy, den mit dem strahlenden Lächeln und den hübschen weißen Zähnen. Mam zeigte auf Dad. Das ist Malachy, sagte sie, und Oma nickte und sah woandershin. Sie rief zwei Jungens, die am Bahnhof herumlungerten, und gab ihnen Geld, damit sie den Überseekoffer trugen. Die Jungens hatten den Kopf rasiert und Rotznasen und keine Schuhe, und wir folgten ihnen durch die Straßen von Limerick. Ich fragte Mam, warum sie keine Haare auf dem Kopf haben, und sie sagte, sie haben den Kopf wegen der Läuse kahlgeschoren. Malachy sagte, was istn der Läuse? und Mam sagte, nicht Läuse. Eine nennt man Laus. Oma sagte, hörts endlich auf damit! Was sind denn das für Reden? Die Jungens pfiffen und lachten und trabten weiter, als hätten sie
Schuhe an, und Oma sagte zu ihnen, hörts auf zu lachen, sonst laßts noch den Koffer fallen, und dann ist er hin. Sie hörten auf zu pfeifen und zu lachen, und wir folgten ihnen in einen Park mit einer hohen Säule und einer Statue obendrauf, und ringsum war Gras, das war so grün, daß es einen blendete. Dad trug die Zwillinge, Mam trug in der einen Hand eine Tasche, und an der anderen Hand hatte sie Malachy. Sie blieb alle paar Minuten stehen, um Atem zu schöpfen, und Oma sagte, rauchst du etwa immer noch? Das Rauchen ist noch mal dein Tod. In Limerick hat’s schon genug Schwindsucht, ohne daß man obendrein auch noch raucht, was ohnehin eine Narretei des reichen Mannes ist.
    Links und rechts neben dem Pfad durch den Park waren Hunderte von Blumen in verschiedenen Farben, und die Zwillinge wurden ganz aufgeregt. Sie zeigten auf die

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