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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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könnte, und ich kann schrubben und saubermachen wie nur jemand, und jede Sorte Eintopf oder Braten kann ich auch.
    Pa Keating lacht. Ich glaube, sagt er, ich werd den kleinen Burschen behalten.
    Malachy rennt zu ihm hin. Nein, nein, nein. Das ist mein Bruder, das ist Eugene. Und ich sage, nein, nein, nein, das ist unser Bruder.
    Tante Aggie tupft sich die Tränen auf den Bakken ab. Sie sagt, von Angela will ich gar nichts. Ich will nichts, was halb Limerick und halb nördliches Irland ist, ich nicht, ihr könnts ihn also wieder mitnehmen. Eines Tages werde ich mein eigenes Kind haben, und wenn es mich hundert Novenen für die Jungfrau Maria und ihre Mutter, die heilige Anna, kostet, oder wenn ich auf diesen meinen zwei Knien von hier bis nach Lourdes rutschen muß.
    Oma sagt, das reicht. Ihr habts euern Haferschleim gehabt, und jetzt wird’s Zeit, daß ihr mit mir zu euch nach Hause gehts und sehts, ob euer Vater und eure Mutter aus dem Spital zurück sind.
    Sie hängt sich ihren Umhang um, schiebt Malachy und mich zur Tür und will Eugene von Onkel Pa Keatings Schoß heben und mitnehmen, aber der klammert sich so fest an Pa Keatings Hemd, daß sie ihn wegzerren muß, und er sieht
sich so lange nach Pa Keating um, bis wir aus der Tür sind.
     
     
    Wir folgten Oma zurück in unser Zimmer. Sie legte Eugene in das Bett und gab ihm Wasser zu trinken. Sie sagte ihm, er soll ein braver Junge sein und schlafen, denn bald kommt sein Bruder Oliver nach Hause, und dann können sie wieder auf dem Fußboden spielen.
    Aber er sah nur aus dem Fenster.
    Sie sagte Malachy und mir, wir dürften auf dem Fußboden sitzen und spielen, aber wir sollten still sein, weil sie jetzt ihre Gebete aufsagen wolle. Malachy setzte sich aufs Bett zu Eugene, und ich setzte mich an den Tisch und versuchte, Wörter aus der Zeitung zu entziffern, die unser Tischtuch war. Alles, was man im Zimmer hören konnte, war Malachy, der flüsterte, um Eugene aufzuheitern, und Oma, die zum Klicken der Perlen ihres Rosenkranzes murmelte. Es war so still, daß ich den Kopf auf den Tisch legte und einschlief.
     
     
    Dad berührt mich an der Schulter. Komm, Francis, du mußt dich um deine kleinen Brüder kümmern.
    Mam sitzt zusammengesunken auf der Bettkante
und macht kleine Weingeräusche wie ein Vogel. Oma hängt sich ihren Umhang um. Sie sagt, ich geh jetzt zu Thompson, dem Bestatter, wegen dem Sarg und dem Wagen. Die Gesellschaft vom Hl. Vincent de Paul kommt bestimmt dafür auf, weiß Gott.
    Sie geht zur Tür hinaus. Dad steht mit dem Gesicht zur Wand vorm Herd, schlägt sich mit den Fäusten gegen die Oberschenkel und seufzt, och, och, och.
    Dad macht mir angst mit seinem Och, och, och, und Mam macht mir mit ihren Vogellauten angst, und ich weiß nicht, was ich machen soll, aber ich frage mich, ob wohl jemand das Feuer im Herd anmachen wird, damit wir Tee und Brot kriegen, denn der Haferschleim ist lange her. Wenn Dad von der Feuerstelle wegginge, könnte ich auch selbst Feuer machen. Man braucht nur Papier, ein paar Stück Kohle oder Torf und ein Streichholz. Er macht aber nicht Platz, also versuche ich, um seine Beine herumzukommen, während er sich auf die Oberschenkel boxt, aber er bemerkt mich und will wissen, warum ich versuche, Feuer zu machen. Ich sage ihm, wir haben alle Hunger, und er stößt ein irres Lachen aus. Hunger? sagt er. Och, Francis, dein kleinwinziger Bruder Oliver ist tot. Deine kleinwinzige Schwester ist tot, und nun ist auch noch dein kleinwinziger Bruder tot.
    Er hebt mich auf und umarmt mich so sehr,
daß ich weinen muß. Dann weint Malachy, meine Mutter weint, Dad weint, ich weine, aber Eugene bleibt still. Dann schnieft Dad, wir werden ein Festessen haben. Komm mit, Francis.
    Er sagt meiner Mutter, wir kommen später wieder, aber sie hat Malachy und Eugene im Bett auf dem Schoß und blickt nicht hoch. Er trägt mich durch die Straßen von Limerick, und wir gehen von Laden zu Laden, und er bittet um etwas zu essen oder irgendwas, was sie einer Familie geben können, die in einem Jahr zwei Kinder verloren hat, eins in Amerika, eins in Limerick, und in der Gefahr schwebt, aus Mangel an Essen und Trinken drei weitere einzubüßen. Die meisten Krämer schütteln den Kopf. Tut mir leid, daß Sie in Not sind, aber Sie könnten doch zur Gesellschaft vom Hl. Vincent de Paul gehen oder Sozialhilfe beantragen.
    Dad sagt, er ist froh, den Geist Christi in Limerick so lebendig zu sehen, und sie sagen ihm, auf Leute wie ihn haben sie

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