Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
Vom Netzwerk:
nie unseren Weihnachtsschmaus. Es dauert ewig, bis das Feuer wieder brennt, und das Wasser muß kochen, wenn Mam den Kohlkopf und die Kartoffeln hineintut, damit sie dem Schwein im Topf Gesellschaft leisten. Wir zerren den Beutel die O’Connell Avenue hinauf, und wir sehen Menschen in ihren Häusern, die um den Tisch herumsitzen, und alle Arten von Schmuck und helle Lichter. In einem Haus drücken sie das Fenster hoch, und die Kinder zeigen auf uns und lachen und rufen, sehts euch mal die Zulus an. Wo habts ihr denn eure Speere?

    Malachy schneidet ihnen Grimassen und will mit Kohlen schmeißen, aber ich sage ihm, wenn er mit Kohlen schmeißt, ist weniger für das Schwein da, und wir kriegen nie was zu essen.
    Das Unten in unserem Haus ist wieder ein See, weil der Regen unter der Tür hereingekommen ist, aber das ist nicht schlimm, weil wir sowieso pitschnaß sind und durch das Wasser waten können. Dad kommt herunter und zerrt den Beutel die Treppe hoch nach Italien. Er sagt, wir sind tüchtige Jungs, weil wir soviel Kohle besorgt haben, die Dock Road muß ja förmlich mit Kohle bedeckt gewesen sein. Als Mam uns sieht, fängt sie an zu lachen, und dann weint sie. Sie lacht, weil wir so schwarz sind, und sie weint, weil wir so durchnäßt sind. Sie sagt uns, wir sollen alles ausziehen, und sie wäscht uns die Kohle von Händen und Gesicht. Sie sagt Dad, der Schweinskopf soll sich erst mal etwas gedulden, damit wir ein Marmeladenglas heißen Tee kriegen.
    Draußen regnet es, unten ist ein See in unserer Küche, aber hier oben in Italien brennt das Feuer wieder, und das Zimmer ist so trocken und warm, daß Malachy und ich nach unserem Tee im Bett einduseln und erst wieder aufwachen, als Dad uns sagt, daß das Essen fertig ist. Unsere Sachen sind immer noch naß, deshalb sitzt Malachy auf dem Koffer und ist in Mams roten amerikanischen Mantel gewickelt, und ich bin in eine alte
große Jacke gewickelt, die Mams Vater hinterlassen hat, als er nach Australien ging.
    Köstliche Gerüche durchziehen das Zimmer – Kohl, Kartoffeln und der Schweinskopf –, aber als Dad den Kopf aus dem Topf holt und auf einen Teller legt, sagt Malachy, ach, das arme Schwein. Ich will das arme Schwein nicht essen.
    Mam sagt, wenn du Hunger hättest, würdest du es essen. Jetzt hör auf mit dem Unsinn und iß dein Abendbrot.
    Dad sagt, warte mal. Er schneidet Scheiben von den beiden Backen ab, legt sie auf unsere Teller und schmiert Senf drauf. Er nimmt den Teller mit dem Schweinskopf und stellt ihn unter den Tisch. Da, sagt er zu Malachy, das ist Schinken, und Malachy ißt, weil er nicht sieht, woher das kommt, und es kein Schweinskopf mehr ist. Der Kohl ist weich und heiß, und es gibt jede Menge Kartoffeln mit Butter und Salz. Mam pellt uns unsere Kartoffeln, aber Dad ißt seine mit Pelle und allem. Er sagt, alle wertvollen Nährstoffe der Kartoffel sind in der Pelle, und Mam sagt, nur gut, daß er keine Eier ißt, die würde er ebenfalls mit der Schale und allem wegkauen.
    Er sagt, klar würde er das, und es ist eine Schande, daß die Iren jeden Tag Millionen von Kartoffelschalen wegschmeißen, und deshalb sterben sie zu Tausenden an der Schwindsucht, und klar sind Nährstoffe in Eierschalen, und
überhaupt ist Verschwendung die achte Todsünde. Wenn es nach ihm ginge … Mam sagt, geht es aber nicht. Iß.
    Er ißt eine halbe Kartoffel mit der Pelle und tut die andere Hälfte zurück in den Topf. Er ißt eine kleine Scheibe Schweinebacke und ein Kohlblatt und läßt den Rest für Malachy und mich auf seinem Teller. Er macht noch mehr Tee, und zum Tee gibt es Marmeladenbrot, damit niemand sagen kann, wir hätten Weihnachten nichts Süßes gehabt.
    Jetzt ist es dunkel, und draußen regnet es immer noch, und die Kohle glüht, und Mam und Dad rauchen ihre Zigaretten. Es gibt nichts zu tun, wenn die Sachen naß sind, man kann nur ins Bett gehen, wo es mollig warm und gemütlich ist, und der Vater kann einem eine Geschichte erzählen, wie Cuchulain katholisch wurde, und man schläft ein und träumt von dem Schwein, das in der Krippe von der Erlöserkirche steht und weint, weil es selbst und das Jesulein und Cuchulain alle sterben müssen, wenn sie groß sind.
     
     
    Nach ein paar Wochen kommt der Engel, der Margaret gebracht hat, wieder und bringt uns einen neuen Bruder, Michael. Dad sagt, er hat Michael auf der siebten Stufe der Treppe gefunden, die hinauf nach Italien führt. Er sagt, darauf
muß man achten, wenn man sich ein neues Baby

Weitere Kostenlose Bücher