Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
zu erlernen, die Jig, den Reel, die Tänze, für die Männer und Frauen all die traurigen Jahrhunderte hindurch gekämpft haben und gestorben
sind. Er sagt, so mancher junge Mann wurde gehängt und verwest nun in einer Kalkgrube, der froh wäre, wenn er sich erheben und die irischen Tänze tanzen könnte.
Der Priester ist schon alt, und ich muß ihm meine Sünden ins Ohr brüllen, und er sagt mir, ich bin ein Rabauke, weil ich ins Kino gehe und nicht in meine Tanzstunde, obwohl er persönlich findet, daß Tanzen fast so gefährlich ist wie die Filme, daß es zu Gedanken aufstachelt, die als solche sündig sind, aber so verabscheuungswürdig der Tanz auch sein mag, so habe ich doch gesündigt, indem ich die Sixpence meiner Mutter nahm und gelogen habe, und für meinesgleichen ist eine heiße Stelle in der Hölle reserviert, bete ein Gesätz und bitte Gott um Vergebung, denn du tanzt bereits vor den Toren der Hölle, mein Kind.
Ich bin sieben, acht, neun, und Dad hat immer noch keine Arbeit. Er trinkt morgens seinen Tee, unterschreibt für sein Stempelgeld auf dem Arbeitsamt, liest die Zeitungen in der Carnegie-Bücherei, macht seine langen Spaziergänge über Land. Wenn er in der Limerick-Zementfabrik oder in Rank’s Getreidemühle Arbeit kriegt, verliert er sie in der dritten Woche wieder. Er verliert sie, weil er am dritten Freitag seines Arbeitsverhältnisses in die Kneipen geht, seinen ganzen Lohn vertrinkt und den halben Arbeitstag am Samstagvormittag versäumt.
Mam sagt, warum kann er nicht sein wie die anderen Männer aus diesem Viertel? Vor dem Angelusläuten um sechs sind sie zu Hause, geben ihren Lohn ab, wechseln das Hemd, trinken ihren Tee, kriegen ein paar Shilling von der Frau, und dann ab in die Kneipe für ein bis zwei Pints.
Mam sagt zu Bridey Hannon, daß Dad nicht so sein kann und nie so sein wird. Sie sagt, er ist ein gottverdammter Narr, wie er in die Kneipen geht und anderen Männern Pints ausgibt, während seinen eigenen Kindern zu Hause der Magen an der Wirbelsäule klebt, weil sie kein anständiges Abendessen kriegen. Er wird der Welt vorprahlen, daß er seinen Beitrag für Irland geleistet hat, als das weder populär noch profitabel war, daß er mit Freuden für Irland sterben wird, wenn der Ruf ergeht, daß er bedauert, nur ein Leben zu haben, welches er seinem armen unglückseligen Land opfern kann, und wenn jemand anderer Meinung ist, dann soll er doch bitte schön mit nach draußen kommen, dann klären wir das ein für allemal.
Aber nein, sagt Mam, keiner ist anderer Meinung, und keiner kommt mit nach draußen, dieser Trupp von Kesselflickern und Abdeckern und Geizhälsen, die sich in den Kneipen herumtreiben. Sie sagen ihm, er ist ein ganz toller Hecht, obwohl er aus dem Norden stammt, und es wäre eine Ehre, von einem solchen Patrioten eine Pint spendiert zu bekommen.
Mam sagt zu Bridey, ich weiß nicht unter Gott und weit und breit, was ich tun soll. Das Stempelgeld beträgt pro Woche neunzehn Shilling Sixpence, die Miete kostet sechs-sechs, und davon bleiben dreizehn Shilling, um fünf Menschen zu ernähren und zu kleiden und uns im Winter warm zu halten. Bridey zieht an ihrer Woodbine, trinkt ihren Tee und verkündet, daß Gott gut ist. Mam sagt, sie ist sicher, daß Gott irgendwo zu irgendwem gut ist, aber in diesem Viertel von Limerick hat Er sich in letzter Zeit nicht blicken lassen.
Bridey lacht. Mensch, Angela, für so was kannst du in die Hölle kommen, und Mam sagt, bin ich da nicht schon, Bridey? Und sie lachen und trinken ihren Tee und rauchen ihre Woodbines, und eine sagt zur anderen, ist doch unser einziger Trost, stimmt’s?
Stimmt.
Quigley-der-Fragensteller sagt mir, ich soll am Freitag in die Erlöserkirche gehen und Mitglied in der Knabenabteilung der Bruderschaft werden. Das muß man. Da kann man nicht nein sagen. Alle Jungens, die in den Gassen und Gängen wohnen und Väter haben, die Arbeitslosenunterstützung kriegen oder Gelegenheitsarbeiter sind, müssen da Mitglied werden.
Frage sagt, dein Vater ist ein Ausländer aus dem Norden, und um ihn ist es sowieso wurscht, aber du mußt Mitglied werden.
Jeder weiß, daß Limerick die heiligste Stadt von ganz Irland ist, denn hier befindet sich die Erzbruderschaft der Heiligen Familie, die größte karitative Bruderschaft der Welt. Jede Stadt kann eine Bruderschaft haben, nur Limerick hat die Erz.
Unsere Bruderschaft füllt die Erlöserkirche fünfmal pro Woche, dreimal die Männer, einmal die
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