Die Asklepios Papiere (German Edition)
Sonnenaufgang an.
Erst jetzt fiel Luc auf, dass seine Begleiterin Blutspuren an der linken Wange hatte. Ohne den Blick von der Straße zu wenden, griff er in seine Hosentasche und zog ein sauberes Taschentuch heraus.
„Sie haben da etwas“, sagte Luc und überreichte Domino das weiße Stofftuch.
„ Merci.“ Domino klappte die Sonnenblende des Beifahrersitzes herunter und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Mit der Zunge befeuchtete sie eine Ecke des Tuchs und entfernte die Blutspritzer.
L ennard zuckte entsetzt zusammen, als er die sich schnell nähernden Scheinwerfer im Rückspiegel erblickte.
„ Verdammter Mist!“, rief er. „Hinter uns!“
Hannah drehte sich um und erkannte Lucs Renault. Jetzt waren sie geliefert. Mit diesem alten klapprigen fahrbaren Untersatz hatten sie nicht die Spur einer Chance zu entkommen.
„Fahr schneller!“, rief sie.
„ Machst du Witze? Mehr gibt die alte Möhre nicht her!“
Lennard fuhr wie ein Besessener. Ohne Rücksicht auf den Verkehr bog er planlos in jede Seitenstraße ein, an der sie vorbei kamen. Links, rechts….wieder links. Hannah wurde von dem Geschaukel ganz schlecht. Die Scheinwerfer im Rückspiegel kamen dennoch langsam aber sich immer näher. Ihr Herz raste vor Aufregung.
„Da!“, brüllte sie. „Rechts rüber!“
„ Das ist die Ausfahrt einer verdammten Einbahnstraße! Da kann ich von hier aus nicht rein.“
„ Doch! Hier auf gerader Strecke habe wir keine Chance!“
Lennard kniff angestrengt die Augen zusammen. Er schien für den Bruchteil einer Sekunde zu zögern. Doch schließlich riss er das Lenkrad herum und fuhr geradewegs gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung in die Einbahnstraße.
Hannah betete, dass ihnen kein Gegenverkehr entgegenkam und hoffte gleichzeitig auf ein Wunder. Vielleicht hatten sie ja Glück und direkt nach Ihnen würde ein Lkw in die Straße einbiegen und diese Schmeißfliege hinter ihnen verscheuchen.
Bis auf einen Mofa-Fahrer kam ihnen jedoch kein Verkehr entgegen. Wild hupend wich dieser auf den Bürgersteig aus und konnte sich so auch vor dem Verfolgerfahrzeug in Sicherheit bringen. Unbehelligt durchfuhren beide Fahrzeuge die Einbahnstraße.
„Das darf doch nicht wahr sein.“ Lennard sah in den Rückspiegel. Der Renault klebte ihnen mittlerweile regelrecht an der Stoßstange. Im Außenspiegel erkannte Hannah plötzlich, dass Lucs Begleiterin eine Hand aus dem Beifahrerfenster streckte. Nur zu deutlich sah sie Pistole.
„ Achtung, die schießen!“, kreischte Hannah hysterisch.
Instinktiv trat Lennard auf die Bremse. Der Renault prallte mit voller Wucht gegen ihre Stoßstange und schob das leichte Fahrzeug einfach weiter vorwärts. Durch die Wucht des unerwarteten Zusammenstoßes wurde Lucs Begleiterin die Waffe aus der Hand geschleudert.
Die Ente drohte auszubrechen, aber irgendwie gelang es Lennard, das Auto abzufangen. Er verriss das Lenkrad und zog quer über die Straße auf die Gegenfahrbahn. Zwei entgegenkommende Fahrzeuge hupten wild und fuhren Ausweichmanöver. Er schaffte es gerade noch, eine Karambolage zu verhindern. Nachdem die beiden Autos vorbeigefahren waren, wendete er den Wagen und fuhr in die Gegenrichtung weiter.
Hannah zitterte am ganzen Körper. Sie klammerte sich krampfhaft an der alten Lederschlaufe fest, die statt eines Handgriffs über ihr angebracht war. Trotzdem war sie von Lennards Fahrkünsten außerordentlich überrascht.
„Wo hast du denn gelernt, so zu fahren? Ich dachte, du bist Wissenschaftler?“, fragte sie beeindruckt.
Obwohl er sich weiter aufs Fahren konzentrierte, rang sich Lennard ein verschmitztes Lächeln ab.
„Hey, ich habe immerhin alle Folgen von Ein Colt für alle Fälle auf DVD. Für irgendetwas muss das doch gut sein!“
„ Das war ja klar.“ Hannah blickte sich um und sah, dass auch der Kommissar wendete.
„ Was nun?“, dachte sie. Ihr war bewusst, dass einzig und allein sie selbst für diese missliche Situation verantwortlich war. Wäre es nach Lennard gegangen, säßen sie jetzt in einem sicheren Polizeirevier und würden ihre Geschichte erzählen. Dann müssten sie nicht in dieser schrottreifen Ente um ihr Leben fürchten.
Doch Lennard wirkte keinesfalls panisch. Angestrengt und konzentriert beobachtete er die Straße und versuchte erneut, durch wildes Abbiegen, ihre Verfolger abzuschütteln.
„Weißt du eigentlich, wo wir sind?“, fragte Hannah und bemühte sich, dabei irgendwie heiter zu klingen.
„ Nicht genau, aber ich
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