Die Asklepios Papiere (German Edition)
Stufe der Treppe genommen hatte und gerade um einen hölzernen Raumteiler herumgehen wollte, blieb sie wie angewurzelt stehen und glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Luc machte sich doch tatsächlich an ihrer Handtasche zu schaffen. Das war ja wohl der Gipfel der Frechheit. Was erlaubte sich dieser Polizist? Hannah blieb einen Augenblick stehen, um Luc dabei zu beobachten, wie er hektisch jeden Gegenstand einzeln heraus nahm. Ganz offensichtlich suchte er etwas Bestimmtes. Hatte er das Bier vielleicht absichtlich umgestoßen? Und was hoffte er in ihrer Handtasche zu finden? Hannah schlug sich vor den Kopf. Na klar - die Speicherkarte! Die wollte er vorhin doch schon haben. Aber wieso sollte er sie stehlen? Das machte überhaupt keinen Sinn. Selbstverständlich hätte sie der Kriminalpolizei die zugesagte Kopie ausgehändigt. Wütend eilte Hannah zurück zu ihrem Sitzplatz.
„Gefunden, was du suchst?“, warf sie ihm noch im Gehen an den Kopf?
„ Ich…äh…nein…reine Routine?“, stotterte Luc, der offensichtlich nicht damit gerechnet hatte, dass Hannah so schnell wieder zurück war.
„ Routine?“, fragte Hannah wütend. „Das soll wohl ein Witz sein, Herr Kommissar.“
„ Na ja, die Tasche ist nass geworden. Ich wollte nur schnell Portemonnaie und Papiere in Sicherheit bringen.“
„ Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Du willst die verdammte Speicherkarte!“
„ Hannah…“, begann Luc.
„ Komm, vergiss es. Gib mir mein Zeug und dann lass mich in Ruhe.“ Sie entriss ihm die Handtasche und vergewisserte sich, dass nichts fehlte. Einer Eingebung folgend hatte Hannah die Karte sicherheitshalber in ihrer Puderdose versteckt. Dass sie aber statt eines ordinären Handtaschendiebes jetzt ein Opfer der Polizei selbst geworden war, ging ihr durch Mark und Bein. Sie wurde aus Lucs Verhalten nicht schlau. Erst zeigte die Polizei kaum Interesse an ihrer Vermisstenmeldung und dann ertappte sie einen Kommissar der Kripo dabei, wie er versuchte, Peters Speicherkarte zu stehlen. Das erschien ihr alles andere als logisch.
Als sie wutentbrannt davon eilte, um die nächste Metro-Station zu suchen, sah sie, dass Luc sein Mobiltelefon griff und ziemlich aufgeregt mit jemandem sprach.
„Monsieur Ginster, hier ist Chinois…“, war alles, was sie noch mitbekam, bevor sie außer Hörweite war.
25.
D ie Redaktionssitzung war karrieretechnisch ein voller Erfolg. Emil Damme protegierte ihn zwar unverhohlen, doch die restlichen Mitarbeiter der Redaktion schien das nicht weiter zu stören. Sie zuckten lediglich mit der Schulter als Claude den Raum betrat. Sie waren wohl der Meinung, dass es unschädlich wäre, einen Grünschnabel wie Claude Boné an der Produktion des TV-Berichts über RemediumVir zu beteiligen. Da Toute la vérité jeden Samstagabend ausgestrahlt wurde, blieben für die Produktion noch mehr als drei Tage Zeit – und Claude war mit an Bord.
Emil, der üblicherweise die Aufgaben zuteilte, gab Claude am Ende der Besprechung für den nächsten Tag auf, sich Gedanken darüber zu machen, wie er ein Feature über den Pharmagiganten gestalten würde: Inhalt, Visualisierung…das gesamte Programm. Am nächsten Morgen sollte er sich dann mit Francois, einem erfahrenen Reporter, zusammensetzten, der ihm erläutern würde, wie ein Profi eine solchen Bericht konzipieren würde. Claude hatte damit zwar immer noch keine verantwortungsvolle Tätigkeit übertragen bekommen hatte, aber er war immerhin bei der Produktion mit dabei.
Aber auch wenn Emils Aufgabe durchaus interessant war, konnte sich Claude im Moment nicht so recht darauf konzentrieren. Er saß im fensterlosen Kellerbüro für freie Mitarbeiter und Praktikanten. Hier gab es rund zwei Dutzend Arbeitsplätze, von denen üblicherweise die meisten permanent belegt waren. Außer einem Telefon verfügte jeder Schreibtisch über einem internetfähigen Computer sowie einen Rollcontainer mit Schreibmaterial. Seine Gedanken kehrten immer wieder zu seiner Schwester und ihrem Verlobten zurück. Sein Instinkt sagte Claude, dass es kein Zufall sein konnte, dass Peter Krueger just zu dem Zeitpunkt spurlos verschwand, an dem er höchst brisante Unterlagen an die Presse aushändigen wollte.
Um sich etwas abzulenken beschloss er, eine alte Freundin anzurufen: Amy Boregard. Claude kannte Amy von der gemeinsamen Zeit an der Uni. Auch wenn sie beide unterschiedliche Fächer studierten – Claude war für Journalismus und Amy für forensische
Weitere Kostenlose Bücher