Die Asklepios Papiere (German Edition)
Bachmayer überhastet verschwunden war, musste er widerwillig nun auch ihren Anteil übernehmen. Ohne mit der Wimper zu zucken, ließ er sich eine Quittung ausstellen, um die Rechnung später als Spesen über die police national e abrechnen zu können.
„ So meine Kleine, wo bist du hingelaufen?“, überlegte er. Wahrscheinlich zur Metro. Eine Schwangere würde garantiert keinen langen Fußmarsch unternehmen können oder wollen. Sie war also vermutlich zur nächstgelegenen Metro-Station unterwegs. Wenn es ihm gelänge, sie dort aufzuspüren, könnte er sich im Getümmel der Fahrgäste problemlos um sie kümmern . Ein kleiner Schubser und das Problem war gelöst.
Luc zündete sich eine Gauloises an und ging Richtung Norden. Er hatte noch keine drei Züge inhaliert, als auch schon das große Schild mit der grünen Aufschrift Metropolitain in Sicht kam. Ein Metallgerüst mit Glasdach schützte den Eingang vor allzu schlechten Witterungseinflüssen. Er schnipste die Zigarette achtlos auf den Boden und fuhr mit der Rolltreppe nach unten.
Wie nicht anders zu erwarten, war der enge Bahnsteig völlig überlaufen. Ihm blieb keine andere Möglichkeit, als sich schnell durch die Menschmassen zu drängeln und Hannah zu suchen. Er wusste, dass die Linien beinahe im Minutentakt fuhren. Wenn man jedoch bedachte, dass sie durch ihre besonderen Umstände etwas gehandicapt war, bestand die reelle Möglichkeit, dass sie sich hier noch immer irgendwo aufhielt. In grellen Schein der Neonlampen sah er sich um.
H annah saß auf einer gelben Plastikbank in der Metrostation St. Michel Notre Dame und wartete auf die Linie C. An der gefliesten gewölbten Wand hinter ihr hingen, wie beinahe überall in dem riesigen Katakombensystem, unzählige bunte Werbeposter. Sie wollte einfach nur schnell zurück in ihr Hotel und endlich wissen, was in Peters Datei zu finden war. Wenn sogar die Kriminalpolizei versuchte, die Speicherkarte an sich zu bringen, musste sie verdammt brisante Informationen enthalten.
Am späten Nachmittag herrschte reges Gedränge auf dem Bahnsteig. Die Anzeigetafel an der Decke verkündete in leuchtend roten Ziffern, dass der nächste Zug bereits in drei Minuten eintreffen würde. Um nicht im Getümmel stecken zu bleiben oder Ellenbogenstöße in ihren Bauch zu riskieren, erhob sich Hannah frühzeitig und trat näher ans Gleis. Sie schlängelte sich gekonnt an einer Phalanx aus Touristen vorbei, um sodann von einer kleinen Gruppe Anzugträgern gestoppt zu werden. Die Einheimischen hatten ein wahres Talent dafür, sich ausgesprochen breit zu machen, um ihren Warteplatz zu verteidigen.
Im Gegensatz zur Kölner S-Bahn, wo ein Bahnsteig jeweils zwei Fahrtrichtungen bediente, gab es hier üblicherweise für jede Fahrtrichtung einen eigenen Bahnsteig. Eine Absperrung war jedoch ebenso wenig vorhanden, wie eine Begrenzung auf dem Bahnsteig selbst. Auf dem Boden wies lediglich eine farblich abgehobener Pflasterstreifen darauf hin, dass man diese Markierung bei der Einfahrt eines Zuges besser nicht übertreten sollte.
Hannah hatte sich gerade ihre kleine Wartenische erkämpft, als sich auch schon die Einfahrt der grün-weißem Linie C mit einem kräftigen Luftzug ankündigte. Der Triebwagen tauchte aus der Röhre auf und der Zug bremste unter lautem Gequietsche der metallenen Räder. Ein starker Windstoß zerwühlte ihre Haare.
Der Zug war längst noch nicht in seiner Halteposition, als hinter ihr bereits die Drängelei begann. „Ganz locker bleiben“, murmelte Hanna, als sie plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Vielleicht eine versehentliche Berührung? Sie drehte sich um, konnte den Besitzer der Hand jedoch nicht erkennen. Hannah wollte einen Schritt zur Seite gehen, doch mittlerweile steckte sie fest eingeklemmt zwischen den übrigen Wartenden. Die Hand packte nun spürbar fester zu und hielt einen Träger ihres Kleids ehern umschlossen.
„ Loslassen!“, rief sie nach hinten. Keine Reaktion. Sie griff nach der Hand, in der Hoffnung, die abschütteln zu können. Doch die Finger blieben fest wie ein Schraubstock geschlossen. Die Bahn kam mit jeder Sekunde näher. Die Meute wurde unruhig. Noch gut fünfzig Meter bis zum Stillstand. Der Triebwagen sauste auf sie zu. Auf einmal begann die Hand, Hannah nach vorne zu schieben. Zuerst sachte, dann jedoch immer fester.
„ Was soll das?“, schrie sie in die diffuse Menge. Sie konnte noch immer nicht erkennen, wer sie schubste. Doch der Druck war so
Weitere Kostenlose Bücher