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Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Titel: Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Wüllenweber
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Bundeskanzler. Sein Vize Joschka Fischer wurde ohne Abitur Außenminister. In der Politik gelten andere Regeln als in der Wirtschaftselite. Dort wird nicht nach Herkunft selektiert, sondern nach Durchhaltefähigkeit. Wer da nach oben will, muss bereit sein, sich auf eine jahrelange Ochsentour zu begeben. »Das ist für den Nachwuchs des Großbürgertums nicht attraktiv«, weiß Elitenforscher Michael Hartmann.
    Schröder und Fischer gehören zudem zu einer Generation, in der Aufsteigen generell noch leichter möglich war. Bis in die 70er Jahre erlebte Deutschland eine Blütezeit der sozialen Mobilität. Die Bedingungen waren ungewöhnlich gut: Die Väter dieser Generation – auch der des Exkanzlers – waren zu Tausenden im Krieg gefallen. So konnten die Jungen oft schon früh in Positionen aufsteigen, die ansonsten ihre Väter noch besetzt hätten. Wichtiger jedoch war: Die Wirtschaft wuchs kräftig und brauchte jeden. Für eine kurze Zeit konnten sogar Hauptschüler bis ins Management gelangen. »Wenn die Marktbedingungen gut sind, profitieren auch die unteren Schichten. Dann kann ein Teil von ihnen in höhere Positionen aufsteigen«, sagt Hartmann. »Wenn es dagegen schlecht läuft, dann verdrängt der Nachwuchs aus bürgerlichen Kreisen die Konkurrenz fast vollkommen.«
    Genau das ist geschehen. Die 60er und 70er mit ihren außergewöhnlichen Möglichkeiten für alle Klassen waren eine historische Ausnahmesituation. Vor allem für die Generation der Babyboomer sind diese Zeiten längst vorbei. Doch noch immer prägt die längst vergangene Ausnahmezeit die Vorstellung, die sich viele von den Aufstiegsmöglichkeiten machen. Sie glauben noch an das Märchen von der Chancengleichheit.
    Reinhard Pollack vom Wissenschaftszentrum Berlin hat die heutige Realität der Chancengleichheit erforscht. Im Auftrag der Heinrich Böll Stiftung hat er die soziale Mobilität in Deutschland untersucht und mit der in anderen Ländern verglichen. 44 Ergebnis: »Deutschland weist im internationalen Vergleich eine sehr geringe soziale Mobilität auf, oder anders formuliert: Die Chancen, gesellschaftlich auf- oder abzusteigen, sind in kaum einem anderen industrialisierten Land so ungleich verteilt wie in Deutschland.« 45
    Reichenforscher Lauterbach nennt Deutschland eine »erstarrte Gesellschaft«. Sieghard Neckel glaubt: »Die Bedeutung der sozialen Mobilität wurde durch Herkunft ersetzt. Was wir erleben ist eine Refeudalisierung der Gesellschaft.« Deutschland hat wieder einen Adel: den Geldadel.
    Deutschland, eine Steueroase für Reiche
    Zum Selbstverständnis dieses Staates gehört es, in die Verteilung des Reichtums regulierend einzugreifen. Die starken Schultern tragen die größere Last. So lautet das Mantra des deutschen Sozialstaates. Doch im wahren Leben läuft es exakt andersherum. Die Mittelschicht schultert die Last des Gemeinwesens fast alleine.
    Die Deutschen sind ein außergewöhnlich soziales Volk. Sie leisten sich gleich zwei Solidargemeinschaften: Steuerzahler und Beitragszahler. Die Mittelschicht zahlt brav in beide Systeme ein. So sind die ärmeren 90 Prozent Mitglied in der gesetzlichen Sozialversicherung. Die meisten sind dazu verpflichtet. An der einen Hälfte des deutschen Sozialstaates ist die Oberschicht allenfalls noch symbolisch beteiligt. Die Beiträge zur Sozialversicherung beziehen sich ausschließlich auf das Arbeitseinkommen. Unternehmensgewinne und Profite aus Kapitalgeschäften – die entscheidenden Einnahmequellen der Reichen – bleiben gänzlich verschont. Doch selbst beim Arbeitseinkommen kappt die Beitragsbemessungsgrenze die Zahlungen ab einem monatlichen Einkommen von 5600 Euro. Der Milliardär zahlt keinen Cent mehr in die Sozialversicherung als seine Chefsekretärin. In aller Regel zahlt er sogar deutlich weniger, nämlich nichts. Unternehmer und Selbstständige sind von der Versicherungspflicht generell befreit, und somit fast der gesamte Geldadel.
    Die mit den stärksten Schultern tragen an der Last der Sozialversicherung einfach nicht mit. Sie lassen die Mittelschicht mit den Kosten der Arbeitslosigkeit allein. Sie finanzieren keine Renten und müssen sich nicht um die Folgen der Demografie sorgen. Sie bezahlen nicht für die Kosten der Gesundheitsversorgung der sozial Schwachen. Die Reichen sind keine Vollmitglieder der deutschen Solidargemeinschaft.
    Bei der Privaten Krankenversicherung ( PKV ) wird das besonders anschaulich. Zwar gehören nicht alle Mitglieder der PKV zur Oberschicht,

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