Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
er würde als ahnungsloser Sozialist beschimpft, als Gefahr für den Standort Deutschland. Bei Erhard nannte man das Wirtschaftswunder.
Die »Last«, die es heute auszugleichen gilt, ist die Bewältigung der Krise des Finanzmarktes. Welchen Schaden die Zockerei der Reichen angerichtet hat, lässt sich am besten bei einem Blick in die Geschichte der deutschen Staatsverschuldung ermessen. 52 Die Bundesrepublik ging mit einem flachen Schuldenhügel von rund 20 Prozent des BIP an den Start. Beim Ausbau des Sozialstaates kamen noch einmal Schulden in gleicher Dimension dazu. Wir sind bei 40 Prozent. Den dritten Schuldenschub verursachten die Kosten der Wiedervereinigung. Der Hügel wurde zum Berg: 60 Prozent. Das Krisenmanagement infolge der Lehman-Brothers-Pleite hat die öffentliche Verschuldung noch einmal um 15 bis 20 Prozentpunkte anwachsen lassen. Vorläufig. Heute sind wir bei über 80 Prozent. Die Größenordnung der Verschuldung, die der Geldadel der gesamten Gesellschaft aufgeladen hat, entspricht also den Kosten der jeweils größten Projekte in der Geschichte der Bundesrepublik: Ausbau des Sozialstaates und Wiedervereinigung.
Vor dem Bankencrash hat einzig die kleine Minderheit der Großanleger von den wundersamen Tricks der Investmentbanker profitiert, und das in einem unvorstellbaren Ausmaß. Die Fairness verlangt, dass die Verursacher und einzigen Profiteure auch für den Schaden geradestehen müssen. Die Konsequenz wäre dann: höhere Steuern und Abgaben für Vermögende!
Doch Deutschland geht einen anderen Weg der Krisenbewältigung: Es verschuldet sich. Beim wem? Bei den Reichen. Geld zum Verleihen haben vor allem die mit den großen Finanzvermögen übrig. Die Anleger zeichnen die Staatsanleihen indes nicht aus Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft. Sie verlangen natürlich Zinsen. Die Reparatur der Finanzmarktschäden macht seine Verursacher reicher und mächtiger.
Durch die Staatsverschuldung wird der Geldadel zum Gläubiger. Aus den Rettern werden Schuldner. Die Gläubiger, das war schon immer so, diktieren die Regeln. Die 99 Prozent stehen in der Schuld des einen Prozents. Für Generationen.
Noch immer nicht genug. Umverteilung des Billionenvermögens nach oben, plus dramatische Steuerentlastung der Reichen in den vergangenen Jahrzehnten, plus Rettung des bereits verzockten Finanzkapitals – der Hals der Oberschicht ist noch nicht voll. Legale Bereicherung reicht vielen nicht, sie müssen auch noch betrügen. Mit Steuerhinterziehung.
Die Tricks der Oberschicht
Die Oberschicht schickt ihr Geld auf Reisen. Die Finanzmarktanalysten der Schweizer Firma Helvea haben berechnet, dass allein auf Konten in der Schweiz rund 200 Milliarden Euro Schwarzgeld aus Deutschland liegen. 53 Luxemburg, Liechtenstein, die Cayman Islands und andere sichere Häfen für schwarzes Geld noch gar nicht mitgezählt.
Die Deutsche Steuergewerkschaft schätzt, dass jährlich 30 Milliarden Euro illegal am Finanzamt vorbeigeschleust werden. Die OECD vermutet sogar einen noch höheren Betrag. Jeffrey Owens, der Steuerexperte der OECD , beklagt den laxen Vollzug der Steuergesetze in Deutschland. »Wir reden von vielen, vielen Milliarden Euro«, sagt Owens. 54 Er geht davon aus, »durch besseren Steuervollzug die Einnahmen um mindestens 20 Prozent steigern zu können.« In Deutschland wären das gut 100 Milliarden zusätzliche Steuereinnahmen, wenn die Steuergesetze konsequent befolgt würden. Tricksen bei der Steuer ist Teil der Lebensform des Reichtums geworden.
Es gehört zu den guten Manieren am Hofe des Geldadels. Unterstützt werden die Habenden dabei von einer ganzen Steuer-trickser-Industrie. Die Zahl der Steuerberater hat allein zwischen 2000 und 2010 um 30 Prozent zugenommen. 55 Bei der Steuervermeidung gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Geldanlage: Das Ganze rentiert sich erst richtig, wenn die Beute fett genug ist, um auch noch die besten und teuersten Profis mit durchfüttern zu können. Schließlich sind sie es, die sich die kreativen und am Ende wirklich lukrativen Steuerkonzepte ausdenken. Sie ziehen alle Register und manchmal erfinden sie auch neue. Steuerberater sind die Kollegen der Wealth Manager. Oft arbeiten sie sogar im Team an einem »Fall« zusammen.
Es sind nicht die kleinen Leute, die den Staat um das große Geld betrügen. Konten in Liechtenstein und Steuervermeidungsbüros in Premiumlagen der Großstädte kennt die Mittelschicht nur aus der Zeitung. Trotzdem versucht sie mit
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