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Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Titel: Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Wüllenweber
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günstigen Gelegenheit«. 41 Und tatsächlich hat Wolfgang Lauterbach herausgefunden: Wer über ein großes Vermögen verfügt, verdient meist mehr Geld mit Zockerei an der Börse, mit der »günstigen Gelegenheit«, als mit Erwerbsarbeit. Nicht das Arbeitseinkommen – also die Bezahlung für erbrachte Leistung – ist für die Zugehörigkeit zur Oberklasse entscheidend. Erst das leistungslose Einkommen der Kapitalerträge macht den Unterschied.
    In Deutschland sind nur rund fünf Prozent der Bevölkerung direkte Aktienbesitzer. 42 Spekulieren an der Börse ist nur ratsam, wenn man über genügend Finanzkapital verfügt, um das Risiko auf verschiedene Anlageformen streuen zu können. 95 Prozent der Bevölkerung können das nicht. Der Zugang zur schönen Welt der Kapitalerträge ist also ein Privileg, das im Wesentlichen Wohlhabenden vorbehalten bleibt.
    Leistung gehörte stets zu den Grundwerten im Selbstverständnis der Bundesrepublik. Sie ist Teil der Identität der Gesellschaft. Doch in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die »Leistungsgesellschaft« zu einer »Erfolgsgesellschaft« gewandelt. Darauf weist Sighard Neckel immer wieder hin. Erfolg hat Leistung als zentralen Wert abgelöst.
    Erfolg und Leistung, das klingt fast wie ein sich fest umschlingendes Begriffspaar. Wie Ying und Yang, wie Stan und Olli, wie zwei Seiten einer Medaille. Was für ein Irrtum. Die Physik definiert Leistung als Arbeit pro Zeit. Das ist auch im Verständnis der meisten Menschen so: ohne Anstrengung, ohne Mühe, ohne Arbeit keine Leistung.
    Erfolg ist indes auch mühelos zu haben. Vor allem in der besitzenden Klasse wird der Erfolg an Renditen, am Profit, am Gewinn gemessen. Zweistellige Kapitalerträge lassen sich auch erzielen, wenn man sein Geld der richtigen Bank anvertraut. Arbeit oder Leistung ist dazu nicht erforderlich. »Die Oberschicht legitimiert sich durch Gewinn, nicht mehr durch Leistung«, sagt Neckel.
    In den Unternehmen kamen in den vergangenen Jahren immer ausgeklügeltere Methoden und Techniken zum Einsatz, um die Leistung der Beschäftigten individuell zu messen und zu bewerten. Dabei stehen nicht nur die rein monetären Aspekte unter Beobachtung. Immer wichtiger werden »weiche« Kriterien wie Teamfähigkeit, langfristiges Handeln, Verantwortungsbewusstsein. Höhere Leistung wird höher entlohnt. Mangelnde Leistung wird nicht toleriert. Die Fortschritte bei der Leistungsbemessung sind eine Grundlage für den Erfolg der deutschen Wirtschaft.
    Bei Millionen Arbeitnehmern, bei der Mittelschicht, wird also zuerst die Leistung so objektiv wie möglich ermittelt. Der Erfolg, die Bezahlung, richtet sich nach den gemessenen Ergebnissen. Bei der Geldelite ist es genau andersrum: Zuerst wird der Erfolg gemessen, der Gewinn. Aus dessen Höhe werden dann Rückschlüsse auf die Leistung gezogen. Meist Trugschlüsse. In der Oberschicht ist die ursprüngliche Verbindung zwischen Leistung und Erfolg gestört und in ihr Gegenteil verkehrt. »Leistung ist nicht mehr die moralische Geschäftsgrundlage für Reichtum«, sagt Sighard Neckel. Die Oberschicht hat die Legitimation für ihren Reichtum verloren. Die wahre Leistungselite Deutschlands ist die Mittelschicht.
    Zumindest ein Erfolg kann den Vermögenden nicht abgesprochen werden. Ein Propagandaerfolg: Sie haben ihr Image als Leistungselite in weiten Teilen der Bevölkerung etabliert und gefestigt. Das war nicht selbstverständlich. Denn Leistung ist ein natürlicher Verbündeter der Mittelschicht. Sie ist ihre Chance zum Aufstieg, ihre Leiter nach oben. Wer bereits oben ist, auf einem der begehrten Plätze, für den bedeutet Aufstieg nicht Verheißung, sondern Bedrohung. Die Währung der Oberschicht heißt darum nicht Leistung, sondern Herkunft. Zu allen Zeiten ging es denen da oben zuerst darum, die eigene Stellung zu sichern und die ihrer Familie. Auf Generationen hinaus.
    Nein, nicht zu allen Zeiten. In ihren ersten Jahrzehnten erlebte die Bundesrepublik eine besondere Situation. Im Nationalsozialismus war ein Teil der alten Oberschicht enteignet, vertrieben und ermordet worden. Die überlebenden Eliten waren mit den Nazis verstrickt und daher moralisch diskreditiert. Die Gesellschaft, auch die Wirtschaftselite, formierte sich teilweise neu. In dieser Phase waren die Bedingungen zum Neuanfang, zur Unternehmensgründung ungewöhnlich günstig. Es war die Zeit, in der Männer wie die Brüder Theo und Karl Albrecht oder der Versandhauschef Werner Otto ihre

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