Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
überproportional vertreten. Zu diesem Ergebnis kommt auch der neuste Integrationsbericht der Bundesregierung. 62 Die Zahlen sind ein Nachweis für die immer noch mangelhafte Integration von Einwanderern. Und sie zeigen, dass Menschen nichtdeutscher Herkunft besonders häufig zur Unterschicht gehören. Da liegt die Schlussfolgerung nahe, ihre Herkunft sei die eigentliche Ursache für ihre Zugehörigkeit zur Unterschicht. Doch dieser Schluss ist ein Trugschluss.
Die meisten Zuwanderer stammen ursprünglich aus ländlichen strukturschwachen Regionen. Sie gehörten bereits in ihren Herkunftsländern zur bildungsfernen Unterschicht. Darum hatten sie in ihrer damaligen Heimat keine Chance auf eine wirtschaftliche Existenz und mussten sie verlassen. Bildungsferne war also nicht lediglich ein Merkmal der Auswanderer, sondern die eigentliche Ursache für die Auswanderung.
Daran hat sich nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst wenig geändert. Bis in die jüngste Vergangenheit legte die deutsche Politik keinen Wert darauf, Einwanderer zu bilden. Wozu die Mühe? Die »Gastarbeiter« sollten ohnehin nicht lange bleiben. »Integration durch Bildung« wurde erst 2005 zu einem Ziel der Politik erklärt, von Maria Böhmer, der Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Migration. Über Jahrzehnte hat Deutschland ausdrücklich nicht versucht, Migranten in das Bildungssystem zu integrieren, sondern in das soziale Sicherungssystem. Das hat geklappt. Da sind sie angekommen, im Sozialstaat.
In der jüngsten Vergangenheit ist eine Fülle von Studien erschienen, die durchweg zeigen, dass Einwanderer nicht besonders häufig zur Unterschicht gehören, weil ihre Eltern oder Großeltern in einem fremden Land geboren wurden. Der entscheidende Grund ist das, was der Integrationsbericht »Bildungsrückstand« nennt. Die Wissenschaftler haben diesen Rückstand genau vermessen. Den Unterschied zwischen Einwohnern mit und ohne Migrationshintergrund beziffern sie erstaunlich häufig mit dem Faktor zwei: So ist etwa der Anteil von Kindern, die in den drei ersten Lebensjahren keinen Kindergarten besuchen, bei Einwandererfamilien etwa doppelt so hoch wie bei »Einheimischen«. Auch der Anteil von Schülern, die ohne Abschluss die Schule verlassen, ist bei Zuwanderern etwa doppelt so groß. Schaut man sich die verschiedenen Statistiken zum Bildungsrückstand an, der Ursache mangelnder Teilgabe von Migranten, stößt man fast durchweg auf den Faktor zwei. 63
Exakt das gleiche Bild ergibt sich bei den Folgen der Bildungsferne: 64 Die Arbeitslosenquote ist bei Zuwanderern etwa zwei Mal so hoch wie im Durchschnitt. Menschen nichtdeutscher Herkunft beziehen doppelt so häufig Transferzahlungen des Sozialstaates. Und auch die Kriminalitätsquote ist bei Menschen mit ausländischen Wurzeln zwei Mal so hoch.
Der Rückstand in der Bildung entspricht also in seiner Dimension exakt der Überrepräsentierung der Migranten bei sozialen Problemen. Das ist kein Zufall: Je schlechter die Bildung, umso gravierender sind die Probleme. Ursache ist also nicht das Herkunftsland der Vorfahren. Ursache ist mangelnde Bildung.
Vergleicht man Unterschicht mit Unterschicht, zugewanderte und einheimische, erhält man ein erstaunliches Bild: Zuwanderer schneiden bei den meisten Kriterien besser ab, als ihre Nachbarn Hans und Franz. Vor allem türkischstämmige Eltern erweisen sich als ehrgeizig, was die Bildung ihrer Kinder angeht. Deutlich ehrgeiziger als deutschstämmige Eltern mit ähnlich schlechter Bildung. Sie helfen ihren Kindern häufiger bei den Hausaufgaben. 65 Wenn ihre Kinder keine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen, setzen sie sich überdurchschnittlich oft über die Empfehlung der Lehrer hinweg. 66 Und Kinder aus bildungsfernen einheimischen Familien müssen erheblich häufiger wegen einer Entwicklungsverzögerung verspätet eingeschult werden als Kinder aus Migrantenfamilien. 67
Dieses Bild entspricht auch der Alltagserfahrung vieler Sozialarbeiter, die in Unterschichtsvierteln arbeiten. Für sie sind türkische Zuwanderer immer weniger Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. »In der Elternarbeit, in Kindertagesstätten und in den Schulen – wenn sich hier überhaupt Eltern engagieren, dann sind das oft die türkischen Mütter«, sagt Thomas Rüth von der Arbeiterwohlfahrt in Essen. »Und ich kenne kaum türkische Familien, die ihre Kinder fehl- oder mangelernähren. Gefährdungen des Kindeswohls aus hygienischen oder gesundheitlichen Gründen, so
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