Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
insgesamt 6,16 Millionen Euro freuen. Damit gehört er eindeutig zum reichsten einen Prozent. Doch Reithofer muss für sein Gehalt arbeiten, etwas leisten. Als Manager ist er ein abhängig Beschäftigter. Das macht ihn gleichzeitig zu einem Angehörigen der Mittelschicht.
BMW gehört fast zur Hälfte der Familie Quandt. Johanna Quandt und ihre Kinder Stefan Quandt und Susanne Klatten haben sich ihre Anteile nicht erarbeitet, sondern geerbt. Das Milliardenvermögen in BMW -Aktien ist nur ein Teil des Imperiums der reichsten Industriellenfamilie Deutschlands. Vom Rekordgewinn bei BMW bekamen die Erben 650 Millionen Euro. 105 Mal mehr als sie Norbert Reithofer bezahlten, ihrem teuersten Angestellten.
Natürlich haben die Quandts nicht 105 Mal mehr geleistet als Reithofer. Ihre Leistung bestand im Wesentlichen darin, den Gewinn abzuschöpfen. Das Einkommen der Geldelite hat sich von der Leistung und der Arbeit abgekoppelt. Das gleiche Phänomen wie bei Empfängern von Sozialtransfers. Nur ist es dort viel transparenter.
Oben und Unten leben von Einkommen ohne Leistung
Wenn man sich die Arbeitswelt als ein Schiff vorstellt, wird die Aufteilung der Gesellschaft deutlich. Auf der großen Galeere ist es vor allem die Mittelschicht, die unten im Schiffsbauch schuftet, die rudert und für Vortrieb sorgt. Kapitäne wie Reithofer stehen auf der Brücke, treffen die Entscheidungen und werden dafür mit zum Teil absurden Gehältern belohnt. Doch immerhin sind sie mit der Mannschaft in einem Boot, auch bei Sturm und hoher See, bei Mast- und Schotenbruch.
Die Quandts hingegen setzen keinen Fuß an Bord. Sie müssen kein Risiko fürchten und nichts leisten. Sie suchen sich einen sicheren, komfortablen Hafen und warten, bis ihr Gewinn anlegt.
Zusammen mit der Unterschicht. Auch die Langzeitarbeitslosen gehören nicht zur Mannschaft, die mit ihrer Leistung zum Wohlstand der Gemeinschaft beiträgt. In aller Regel ist ihr Untätigsein jedoch nicht freiwillig. Meist wurden sie aus der Arbeitswelt hinausgedrängt. Vor allem wegen ihrer mangelnden Bildung werden sie in der modernen, globalisierten Wirtschaft immer weniger gebraucht.
Oben und Unten bilden zusammen die Bevölkerung an Land. Volkswirtschaftlich gesehen sind sie keine Produzenten, sondern Konsumenten. Es ist ihre große, verbindende Gemeinsamkeit: Sie leben von der Wertschöpfung der Mittelschicht. Sie ist die eigentliche Leistungselite Deutschlands. Das typische Einkommen an beiden Rändern der Gesellschaft ist kein Resultat von Arbeit, sondern leistungsloses Einkommen: Transferzahlungen des Sozialstaates oder Profite aus Vermögensanlagen.
Das ist mehr als ein rein volkswirtschaftliches Problem. Die Leistungsethik war über Jahrzehnte das moralische Fundament dieser Gesellschaft. Sie war nicht nur für den Wohlstand, sondern auch für den inneren Zusammenhalt von überragender Bedeutung. Leistung war die Leitkultur der Deutschen. Ein Ersatz für diese Wertebasis ist nicht in Sicht. Oben und unten steht Deutschland jedoch nicht mehr auf diesem Fundament. Dass der Staat dies zulässt und sogar fördert, darin besteht die große Bedrohung für diese Gesellschaft.
Denen, die nicht auf der Galeere schuften, fehlen die Erfahrungen vom Leben auf See. Sie kennen nicht den harten Wettbewerb untereinander, nicht die Erschöpfung, die Schwielen an den Händen und nicht die Befriedigung nach erbrachter Leistung. Sie haben nicht miterlebt, wie in den vergangenen Jahren der Takt ständig erhöht werden musste, um mit der globalen Konkurrenz mithalten zu können. Ihre Normen und Werte, ihr ganzes Verhalten wurde nicht vom Alltag der Arbeitswelt geprägt, sondern vom Dasein an Land. Darum ist es nicht verwunderlich, dass sich in den angeblichen Gegenpolen Oberschicht und Unterschicht ganz ähnliche Ansichten und Verhaltensweisen entwickelt haben.
Wer ein Einkommen bezieht, das kein Resultat der eigenen Leistung ist, kann durch größere Anstrengung seine wirtschaftliche Situation nicht verbessern. Viele Langzeitarbeitslose, zumal mit Familie, haben keine realistische Chance, durch Arbeit mehr Geld zu verdienen, als ihnen das Jobcenter monatlich überweist. Auch die meisten Anleger könnten keinen höheren Gewinn erzielen, wenn sie in einem Unternehmen arbeiten würden. Der Ehrgeiz muss sich also zwangsläufig andere Betätigungsfelder suchen: Geschicktes Verhalten beim Finanzamt oder in der Arbeitsagentur ist für die Bezieher von leistungslosem Einkommen viel lukrativer als Arbeit
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