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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Augenblick zauderte sie, und ihre Unsicherheit hing wie Gestank in der Luft; dann berührte sie mich an der Schulter.
    Ich sog scharf die Luft ein, würgte beim Geschmack des zähen Schleims in meiner Kehle und presste die Knie an mich.
    Lizbeth setzte sich linkisch in der Ecke auf den Boden, zögerte erneut und zog mich dann an ihre Brust, streichelte mir mit einer Hand übers Haar.
    »Ich dachte, der letzte Mann würde auf Borund losgehen«, stieß ich zwischen stockenden Atemzügen hervor. Meine Stimmewar so belegt, dass die Worte beinahe unverständlich klangen. Aber ich würde nicht weinen. »Ich dachte …«
    »Ich weiß«, sagte Lizbeth. »Schon gut. Ich weiß.« Und dann begann sie, mich zu wiegen, hielt mich fest wie die Frau am Siel, die sich ebenfalls vor- und zurückgewiegt hatte, während sie ihr totes Mädchen in den Armen hielt.
    Langsam, zögernd, wich die Spannung aus meinem Körper, und ich schmiegte mich enger an Lizbeths Brust.
    Viel später, als die Wut sich endlich gelegt hatte, als meine Brust schmerzte und ich mich hohl und schwach fühlte, während Lizbeth mir immer noch das Haar streichelte, starrte ich blicklos auf den Boden meines Zimmers und sagte leise: »Ich dachte, er würde auf Borund losgehen.«

    Borund saß in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch. Die darauf verstreuten Papiere waren vergessen. Ein großer Weinkrug stand unmittelbar vor ihm, daneben ein fast leeres Glas. Ein bisschen Wein war verschüttet worden doch Borund schien es nicht zu bemerken.
    Ich stand ein paar Schritte entfernt an der Wand an meinem gewohnten Platz. Der große Raum mit den Stühlen, den Tischen, den vereinzelten Statuen und Vasen und geschliffenen Steinen fühlte sich hohl und leer an.
    Ohne aufzuschauen, griff Borund nach dem Glas, kippte es mit einer unwirschen Geste zurück und stürzte den letzten Rest des Weins hinunter, ehe er das Glas behutsam auf den Tisch zurückstellte. Seine Blicke lösten sich dabei nie von einer kahlen Stelle an der Wand vor ihm.
    Ich verlagerte unbehaglich das Gewicht.
    »Weißt du, er hat seine Lehre bei mir begonnen, als er neun war«, sagte Borund plötzlich. Seine Stimme hörte sich in der Stille überlaut an.
    Ich erwiderte nichts, beobachtete ihn nur aufmerksam. Es war zwei Tage her, seit wir William zurück ins Haus geschafft hatten, und seither hatte Borund sein Arbeitszimmer kaum verlassen. Gerrold brachte ihm Essen und Wein. Viel Wein. Borund hatte Gerrold und Gart mit einem Karren zu der Straße geschickt, wo wir angegriffen worden waren, damit sie sich um die Leichen kümmerten, doch als Gerrold und der Stallbursche zurückkehrten, berichteten sie, hätten sie nur Blut auf dem Kopfsteinpflaster vorgefunden, aber keine Leichen. Jemand hatte sie bereits weggeschafft. Carl hätte bestimmt nicht gewollt, dass man Borunds Leichnam inmitten von anderen fand. Nicht, wenn jeder glauben sollte, dass die Toten Opfer von Unfällen oder allenfalls Raubmorden geworden seien. Bestimmt hatte er Vorsorge getroffen, die Leichname an einen anderen Ort zu schaffen.
    Nur waren es jetzt andere Leichen gewesen und nicht die, die er erwartet hatte.
    Ein paar Türen weiter lag William in unruhigem Schlaf. Isaiah hatte die Blutung endlich gestillt, die Wunde gereinigt und vernäht, doch er hatte gesagt, es läge an der Regentin, ob William überleben würde. Der Dolch war tief eingedrungen, und William hatte so viel Blut verloren, dass er Isaiah zufolge eigentlich keine Chance mehr hatte. Wir konnten nur abwarten.
    Borund lächelte. »Ich erinnere mich noch daran, wie er am Rand des Schreibtischs stand und kaum an sich halten konnte. Seine Hände zuckten ständig, während er sie hinter dem Rücken verschränkt hielt. Und wie finster er mich angeschaut hat, als ich ihm befahl, stillzustehen. Und er hat es gehasst, die Aufzeichnungen zu führen, all die Zahlen in die Bücher zu schreiben, um den Kaufpreis zu erfassen, den Preis, um den die Waren verkauft wurden, und welche Menge an wen ging.« Borunds Lächeln wurde breiter. »Aber mit der Zeit kam er darüber hinweg.« Er sprach ein wenig undeutlich, da der Wein seine Zunge schwer machte.
    Er schaute zu mir auf. »Du kannst nicht lesen oder schreiben, nicht wahr?« Er wartete erst gar keine Antwort ab, sondern grunzte nur, als ärgerte er sich über sich selbst, weil er nicht gleich daran gedacht hatte. »Wir müssen etwas dagegen unternehmen. Aber nicht heute.«
    Dasselbe hatte er über die Pferde gesagt. Bisher war ich noch auf

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