DIE ASSASSINE
hinter mir schwang die Waffe. Die Klinge zischte durch die Luft. Mit der schattenhaften Schnelligkeit, die Erick mich gelehrt hatte, duckte ich mich zu einer Seite, unter den zu weiten Schwung des Mannes, und stach kraftvoll rückwärts. Ich spürte, wie mein Dolch in Fleisch drang, wieder daraus hervorschnellteund über Knochen schabte. Dann bewegte ich mich vorwärts, ehe der Mann auch nur gekeucht hatte. Ich spürte, wie seine Knie auf dem Kopfsteinpflaster landeten. Gleichzeitig prallte Williams Körper gegen die Gebäudemauer zur Rechten. Einen Lidschlag lang zuckte ein entsetzlicher Schmerz durch meinen Magen, da ich glaubte, William wäre zwischen dem Haus und dem Pferd zerquetscht worden, doch im letzten Augenblick erlangte Köte das Gleichgewicht wieder, und William rutschte unbeholfen zwischen das Pferd und die Mauer auf die Straße, wobei er mit dem Fuß noch in einem Steigbügel hing.
Eines der Pferde kreischte, das andere wieherte voller Grauen.
Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf Borund. Sein Pferd war von dem Williams getrennt worden. Borund und Stromer standen in der Straßenmitte. Einer der Angreifer war den Hufen des Tieres zum Opfer gefallen, drei weitere umzingelten das völlig verängstigte Pferd und rückten näher. Von den dreien waren zwei zu nah und stellten eine Gefahr für Borund dar. Der dritte würde Borund nicht rechtzeitig erreichen; um ihn konnte ich mich später kümmern.
Einer der Angreifer reckte den Arm in die Höhe, um Borund vom Pferd zu ziehen.
Ich setzte mich in Bewegung.
Der erste Mann sah mich nie und hörte mich nie. Meine Klinge schlitzte ihm die Kehle auf, als er einen Schritt auf Borund zutrat. Der andere Kerl, der nach Borund griff, sah die Bewegung, ließ Borund los und wirbelte mit erschrockener Miene zu mir herum, doch er war zu langsam. Ich spürte warmes Blut auf der Hand, als mein Dolch aufwärts zuckte und tief in seiner ungeschützten Achselhöhle versank. Flüssig, leise und glitschig löste sich die Klinge aus dem Fleisch.
Ich wandte mich dem letzten Mann zu, der auf der anderen Seite gewesen war, aber er war nicht da, wo ich ihn erwartete …
Und dann spürte ich William, spürte das kalte Feuer meine Arme entlangzüngeln, in meinen Fingern kribbeln.
Nein.
Suchend hielt ich inne. Ich fühlte mich zu langsam und empfand dasselbe eisige Grauen wie damals, als ich über den Siel zum Haus des mehlweißen Mannes gerannt war, nun jedoch vermischt mit dem Feuer.
William war wieder auf die Beine gekommen. Sein Pferd hatte sich ein paar Schritte weiter die Straße hinunterbewegt. William stand vornüber gebeugt da und rang nach Atem, als der Dolch des letzten Mannes von hinten in seine Seite drang.
Ich spürte den Schmerz, schmeckte ihn wie beißenden, bitteren Saft. Er sengte durch mich hindurch, durch das Feuer, das Grauen, schnitt durch meine Seite wie geschmolzenes Feuer. Scharf sog ich die Luft ein.
William krümmte sich, wich zurück. Schock und Schmerz standen ihm ins Gesicht geschrieben, so nah, fast greifbar. Seine Halsmuskeln spannten sich, und er mahlte mit den Zähnen. Er starrte zu mir, zu Borund, dann sank er auf die Knie.
Der Mann riss den Dolch aus Williams Seite, stieß ihn nach vorn auf das Kopfsteinpflaster und flüchtete.
Einen Augenblick kehrte Stille in die schmale Straße ein. Nur das unruhige Schnauben der Pferde, die der Geruch des Blutes verängstigte, war zu hören. Dann brüllte Borund: »William!«, und sprang überhastet vom Pferd. Er stolperte auf dem Kopfsteinpflaster, wankte aber weiter an Williams Seite.
Das Blut bildete auf der Straße bereits eine Pfütze; sie schimmerte dunkel, fast schwarz im Sternenlicht.
Die Schlange des Zorns um mein Herz, die ich zuletzt am Siel gespürt hatte, löste und befreite sich. Ich schmeckte das Blut – Williams Blut – und den Geruch des Mannes, der ihn erstochen hatte.
Die Fährte verlief in die Nacht, die Straße hinunter zu einem weiteren Torbogen. Ich konnte sie beinahe berühren.
Meine Nasenflügel blähten sich. Dieselbe ruhige Wut, die mich am Siel verzehrt hatte, nachdem ich den Leichnam desmehlweißen Mannes gefunden hatte, umhüllte mich. Ich konnte diesen Mann aufspüren, konnte ihn finden, ganz gleich, wo er sich versteckte …
Ohne mich bewusst zu bewegen, hatte ich den Torbogen bereits erreicht, als Borund schrie: »Varis!«
Mit finsterer Miene schaute ich zu ihm zurück, sah, wie er über irgendetwas erschrak, was er in meinen Augen, in meinem Gesicht sah. Es
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