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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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ihm seit Tagen zu schaffen machte, soeben gelöst worden.

    »Glaubt Ihr, es wird sich etwas ändern?«, wollte William von Borund wissen, als wir durch das Tor der inneren Mauer des Palasts in den mittleren Kreis mit den Gildenhäusern gelangten. William und Borund ritten; ich ging zu Fuß zwischen den Pferden und ein Stück vor ihnen.
    »Vielleicht«, erwiderte Borund abwesend. Seit der Begegnung mit dem Oberhofmarschall schien er tief in Gedanken versunken zu sein. »Hier geht mehr vor sich als bloß eine Machtverschiebung in der Händlergilde. Viel mehr.«
    »Aber was?«
    Borund schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Irgendetwas im Palast? Etwas, das mit der Regentin zu tun hat? Keine Ahnung. Doch wenn Avrell und Baill darin verstrickt sind, muss es mit dem Thron zu tun haben.« Borunds Stimme klang leise, als spräche er mit sich selbst.
    Mir bereitete Avrell selbst mehr Kopfzerbrechen. Er hatte mich zu eingehend beobachtet, hatte mir für meinen Geschmack zu viel Aufmerksamkeit geschenkt.
    Borund und William verstummten. Ich ließ den Blick prüfend über den Bereich vor uns wandern. Wir befanden uns auf einer der schmalen Straßen hinter den Gildenhäusern und hielten auf den großen Marktplatz mit dem Pferdebrunnen zu. Das letzte Sonnenlicht wich, und die Schatten sammelten sich dunkel und dicht wie auf dem Siel unter den Gebäuden.
    Der Gedanke jagte einen Schauder durch meinen Körper – und schlagartig spürte ich, dass in meinen Eingeweiden das Feuer zum Leben erwacht war. Schwach, kaum vorhanden, aber trotzdem da.
    Ich straffte die Schultern. So spät waren nur noch wenige Menschen im mittleren Ring der Altstadt unterwegs. Alles hier wirkte wie tot.
    Ich fiel zurück, bewegte mich näher zu Borund, William und den Pferden. Niemand schien etwas zu bemerken.
    »Was kann denn getan werden, um das Töten zu beenden?«, fragte William kurze Zeit später.
    Borund erwiderte nichts, brummte nicht einmal.
    William seufzte und gab es auf. Er starrte nach vorn auf die dunkle Straße.
    Mittlerweile züngelte das Feuer höher, rankte sich in meine Brust. Wir passierten eine Querstraße. Ich blickte die Straße in beide Richtungen entlang, doch sie war verwaist. Auch ein Großteil der Fenster in den umliegenden Gebäuden war dunkel, nur hinter einigen wenigen brannten Kerzen. Fackellicht flackerte an den Mauern der Altstadt, allerdings fern und außer Reichweite.
    Wir ließen die Querstraße hinter uns. Einmal schaute ich zurück, sah jedoch nichts.
    Das kalte Feuer breitete sich durch meine Schultern aus, kribbelte am Nackenansatz.
    Wir gelangten in die Schatten des nächsten Gebäudes, und ich sah zu dem schmalen Band des nächtlichen, sternklaren Himmels auf. Die Häuserwände erschienen mir plötzlich zu nah, beengend und bedrückend, kalt und unbeweglich.
    Dann nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr.
    Mein Blick zuckte die Straße hinunter, zu den Seiten der Gebäude. In dem gemusterten Grau erblickte ich die dunklen Stellen: den Torbogen, der auf einen Innenhof führte, zur Linken; die Nischen, in denen sich kleine Türen verbargen, zur Rechten. Die Bewegung hatte ich in einer der Nischen vielleicht zwölf Schritte vor uns wahrgenommen, und wir befanden uns beinahe schon auf dieser Höhe.
    Jäh flammte das Feuer in mir auf, doch es war zu spät.
    Ich zog den Dolch und rief warnend: »Borund!« Im gleichen Augenblick stürzten die in den Nischen und unter dem Bogen versteckten Gestalten aus der Dunkelheit hervor.
    Borunds Pferd bäumte sich auf, als er an den Zügeln riss, wieherte schrill, trat mit den Hufen, erwischte einen der Männer mit einem Knochen zerschmetternden Hieb und zertrampelte ihn unter sich. Der durchdringende Geruch von Blut flutete meine Sinne, betäubend in seiner Kraft. Ich drehte mich um und stürmte vor, doch Borunds Pferd strauchelte, kippte zur Seite und drängte Williams Pferd weg. Erschrocken verlor William den Halt und rutschte im Sattel seitwärts, als das Tier tänzelte und auskeilte. Die Bewegung trieb mich zurück.
    Und dann spürte ich den Mann hinter mir.
    Ich verharrte, tauchte tiefer, unter den Geruch des Blutes, unter das Chaos der Männer und das Schnauben und Stampfen der Pferde. Wie bei dem ersten Kampf am Kai, wie bei den Händlersöhnen, sank ich so tief, dass ich das Metall der Dolche schmecken konnte, die diese Männer hielten, und ich spürte ihren Schweiß und ihre Entschlossenheit. Ich konnte ihre Bewegungen fühlen, noch ehe sie erfolgten.
    Der Mann

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