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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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wirkten die Straßen abgeriegelt, irgendwie beengend. Als ob eine Hand im Nacken, die Beruhigung vermitteln sollte, sich plötzlich wie ein Schraubstock anfühlte.
    Als Borund und ich die Gardisten das erste Mal auf der Straße erblickt hatten, betrachtete er mit Wohlwollen, wie die Männer vorbeiritten. Doch als wir eine Stunde später der dritten Patrouille begegneten, hatte er mir einen verkniffenen Blick zugeworfen, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. »Das ist plump«, hatte er gemurmelt.
    Der Rest Amenkors sah es genauso. Ich erkannte es in den Augen der Leute und daran, wie sie mit geduckten Häuptern und eingezogenen Schultern einhergingen. Fast über Nacht waren Umhänge mit Kapuzen ein verbreiteter Anblick geworden.
    Und das hatte es mir schwerer gemacht, Carl zu folgen.
    Ich zog mich tiefer in die Nische zurück, als ich beschlagene Hufe auf Stein klirren hörte. Einen Augenblick später tauchten berittene Gardisten auf, bewegten sich gemächlich die Straße hinunter. Eines der Pferde schnaubte und nickte im Vorbeigehen mit dem Kopf, witterte mich, aber die Gardisten hielten nicht inne.
    Sobald sie um die Ecke der Hauptstraße verschwunden waren, huschte ich aus der Nische hervor und in die schwächerenSchatten der Straße. Ich wusste, wohin ich wollte: zum äußeren Kreis der Altstadt, wo die meisten Händler, darunter auch Carl, ihr Anwesen hatten.
    Die Straßen Amenkors waren so still und menschenleer, dass es mir unterwegs Schauder über den Rücken sandte. Auf dem Siel und am Kai herrschte immer Bewegung; stets hatte man das Gefühl, dass sich irgendwo etwas rührte, auch wenn die Gassen oder Straßen leer wirkten. Hinter den Mauern, manchmal auch in den Mauern bewegten sich Dinge: Hunde, Ratten und Abschaum.
    Hier gab es kein Leben. Nur Stein.
    Ich bewegte mich rasch, verlangsamte die Schritte jedoch, als ich mich dem Tor des äußeren Kreises näherte.
    Es stand offen. Vereinzelte Patrouillen ritten hindurch. Die Gardisten grüßten einander oder hielten inne, um mit gedämpften Stimmen mit den beiden dort postierten Wachen zu sprechen. Die Wachen standen auf einer Seite des offenen Torbogens; sie wirkten entspannt und unterhielten sich gelegentlich miteinander. Gelächter klang über die Straße, als ich mich zwanzig Schritte von ihnen entfernt in die Schatten kauerte.
    Ich blickte zum nächtlichen Himmel empor, zur Sichel des Mondes und zu den Sternen. In dieser Nacht gab es keine Wolken, die das Licht hätten verhüllen können.
    Ich unterdrückte ein Seufzen und kauerte mich nieder, verharrte regungslos. Dann tauchte ich in den Fluss, tiefer und tiefer, bis ich jeden Schatten, das Gesicht jedes vorbeigehenden Gardisten und die Linien der Erschöpfung oder Wachsamkeit in den Zügen der Wachen sehen konnte.
    Dann bündelte ich alle Aufmerksamkeit, spürte, wie die Strömungen sich um mich veränderten, wie sie sich krümmten und wanden und sich verengten, sodass ich erkennen konnte, was geschehen würde …
    Geschafft.
    Ich verlagerte das Gewicht und wartete. Die Gardisten bewegtensich, kicherten leise, tätschelten ihren Pferden die Hälse, bildeten einen steten Fluss. Es gab ein paar Unterbrechungen, in denen niemand durch das Tor gelangte, aber keine dauerte lange genug, dass die beiden Wachen abgelenkt wurden.
    Hundert gemessene Atemzüge später tauchten zwei Gardisten auf und verschwanden die Straße hinab. Als der Hufschlag verhallte, wandte sich einer der Wächter dem anderen zu und deutete auf die Stadt unten, weg von der Stelle, an der ich mich befand.
    Ich setzte mich in Bewegung.
    Als ich in die Schatten der äußeren Mauer huschte, das Tor hinter mir, hörte ich, wie einer der Wächter grunzte, kicherte und dem anderen auf den Rücken klopfte. Ich hielt einen Augenblick inne, um mich zu vergewissern, dass sie mich nicht gesehen hatten, dann setzte ich den Weg fort.
    Die Straßen innerhalb des äußeren Kreises waren ein wenig anders als die in der Stadt. An der Hauptstraße, die durch die Mauern der Altstadt führte, waren sie enger, dann aber verbreiterten sie sich. Unterwegs ertappte ich mich dabei, in ein vertrautes Muster zu verfallen, das ich zunächst nicht erkannte. Doch als ich an einer Ecke innehielt, wurde mir klar, dass die Spannung in meinen Schultern und meinen Beinen und das Laufen auf den Fußballen vom Siel stammte, von Erick.
    Ich lächelte.
    Indem ich von Schatten zu Schatten huschte, gelangte ich zu Carls Haus, wo ich zur Mauerkrone emporstarrte;

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