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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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meiner Tat wusste. Allerdings hatte ich nicht alles erzählt. Ich hatte nur gesagt, dass Criss mich beim Verlassen des Hauses mit Blut an den Kleidern gesehen hatte. Erick hatte ich mit keinem Wort erwähnt.
    Auf dem Bett stemmte sich William in eine sitzende Haltung auf, wobei er Kissen und das Kopfende als Stützen benutzte. Er verzog vor Schmerzen das Gesicht, als er sich bewegte, und Schweiß stand ihm auf der Stirn, doch aus Achtung vor seinem Stolz schickten weder Borund noch ich uns an, ihm zu helfen.
    Nachdem er sich aufgesetzt hatte und wieder zu Atem gekommen war, fragte er: »Also, was hat er vor? Er kauft alle verfügbaren Vorräte auf und bekommt weitere von denen, die sie haben, aber nicht verkaufen wollen, indem er sie einschüchtert oder tötet. Zu welchem Zweck? Will er ein Monopol?«
    »Ja.« Borund nickte nachdenklich. »Aber kein Monopol nur für eine Ware. Er will alles beherrschen. Er bildet ein Kartell, eine kleine Gruppe von Leuten, die über den gesamten Handel in der Stadt gebieten wird, vielleicht sogar in den umliegenden Städten, wenn in Marlett bereits Terrence für ihn arbeitet.«
    William schnaubte, zuckte zusammen und fuhr sich mit einer Hand an die Seite. »Das ist nicht möglich. Nicht in Amenkor. Und auch nirgendwo anders.«
    Borund beugte sich wieder vor. »Tatsächlich? Sieh dir an, was er bisher getan hat. Wer außer Alendor, Carl und den beiden anderen Händlern, die Varis in Carls Haus gesehen hat, hat denn noch Fisch auf Lager? Oder Weizen?«
    Nachdenklich runzelte William die Stirn. »Wir, in den Lagerhäusern an den Docks. Ich denke, Darryn hat auch noch welchen …« Seine Stimme verlor sich; dann schaute er Borund mit geweiteten Augen an. »Und das war’s. Alendor verfügt bereits über fast den gesamten Weizen- und Fischbestand.«
    Borund nickte und erwiderte mit grimmiger Stimme: »Und was ist mit Obst und Gemüse? Mit Wein? Mit Rindern und Schweinen? Mit Eisenwaren, Keramik, Stoffen und Leder? Es waren keine Viehtreiber aus dem Norden mehr hier, seit Regin im Frühling diese Herde gekauft hat. Da wir fast Winter haben, können wir die nächsten fünf Monate nicht damit rechnen, weitere Herden zu sehen. Und wir haben seit fünf, wenn nicht gar sechs Monaten keine Schiffsladung Wolle oder Flachs mehr aus Venitte erhalten.«
    »Sechs«, bestätigte William abwesend. Er war auf die Kissen zurückgesunken, während Borund gesprochen hatte. »Und da wir fast Winter haben, werden in den bevorstehenden Monaten nicht viele Schiffe kommen. Uns bleiben nur noch ein paar Wochen, weitere Schiffe auszusenden, ein Monat höchstens. Was wir an Vorräten haben, ist bereits in der Stadt.«
    Beide verstummten.
    Ich verlagerte in einer Ecke des Raumes das Gewicht, fühlte mich unbehaglich. Aber nicht wegen des betretenen Schweigens. Ich sah vor meinem geistigen Auge, wie Carl mich ansah, wie seine Hand ins Leere griff. Ich konnte sein Blut sehen, das sich schwarz auf seiner Haut abzeichnete. Dann war da Erick und …
    »Was ist mit Criss?«, fragte ich.
    Borund legte die Stirn in Falten. »Was meinst du?«
    Ich straffte den Rücken. »Er weiß, dass ich Carl getötet habe. Und seinen Freund unten am Kai. Er könnte zur Garde gehen.«
    Borund schüttelte den Kopf. »Das wird er nicht tun. Alendor würde es nicht zulassen. Das würde zu viel Aufmerksamkeit auf sein Haus lenken. Im Augenblick muss Alendor sich fragen, ob du ihn in Carls Haus gesehen hast, ob wir überhaupt von dem Kartell wissen. Bis er sich sicher ist, wird er untergetaucht bleiben wollen. Alendor wird sich für uns um Criss kümmern.«
    Ich nickte und lehnte mich zurück an die Wand.
    Das löste allerdings immer noch nicht das Problem mit Erick. Aber er hatte mich nach Blutmals Tod nicht der Garde gemeldet, hatte in der vergangenen Nacht die Wachen am Tor nicht gewarnt …
    Ich seufzte, schloss die Augen und bemühte mich, Carls flehentlichen Blick aus dem Kopf zu verbannen.
    Als ich die Augen wieder aufschlug, ertappte ich William dabei, wie er mich beobachtete.
    Er zuckte zurück und richtete den Blick rasch auf seine Füße.
    Mein Magen verkrampfte sich, und ich starrte auf den Boden, den Mund fest zusammengepresst.
    In die unbehagliche Stille hinein blies ein Horn – ein langgezogener, hohler und trostloser Laut.
    Sowohl Borund als auch William schauten zum offenen Fenster. Ich blickte auf den Hafen hinaus.
    Mit gerunzelter Stirn erhob sich Borund und ging zu den Vorhängen, um sie aufzuziehen. Ich folgte ihm,

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