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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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vorschlagen, wir sollten uns zur Gildenhalle begeben, als jemand an Borund herantrat – jemand, der grau war.
    »Meister Borund?«
    Der Junge war klein und trug gewöhnliche Kleider von den Docks. Er hatte schmutziges Haar und ein rundes, dreckverschmiertes Gesicht. Seine Augen waren groß und aufmerksam, und sein Blick huschte unablässig über die Menge.
    Borund legte die Stirn in Falten, während er versuchte, den Jungen einzuordnen. »Ja?«
    »Avrell, der Oberhofmarschall der Regentin, möchte Euch sehen«, verkündete der Junge. »Er sagte, ich soll Euch das hier geben.« Damit überreichte er Borund einen kleinen Steinbrocken, auf dessen einer Seite die Umrisse einer Schlange prangten; dann huschte er zurück ins Gedränge der Leiber unweit der Tore.
    Borund grunzte. Ich erkannte das Steinstück aus seinem Arbeitszimmer.
    Und plötzlich erinnerte ich mich daran, wie Avrell Borunds Haus durch den Seiteneingang verlassen hatte.
    Borund bedeutete mir, ihm zu folgen.
    Der Junge von den Docks führte uns am Rand der Menge entlang und hielt zunächst auf die Tore zu. Doch ehe das Gedränge zu dicht wurde, schwenkte der Junge ab, und wir gelangten auf eine Seitenstraße des mittleren Kreises, die parallelzur Mauer um den Palast verlief. Sobald wir den Bereich vor den Toren hinter uns hatten, bewegten wir uns rascher voran. Der Junge trieb uns mit Zeichen weiter, während er sich ständig umsah aus Angst, dass wir verfolgt wurden.
    Auch ich schaute prüfend zurück, sah aber niemanden.
    Der Junge huschte in ein kleines Gebäude abseits der Mauer, das einst ein Stall gewesen war. Der Gestank von Dung hing noch in der muffigen Luft, doch Pferde waren keine mehr zu sehen. Stattdessen war das Gebäude gerammelt voll mit gekennzeichneten Holzkisten, durch deren Ritzen Stroh lugte.
    Borund sog scharf die Luft ein, als der Dockjunge uns in einen schmalen Gang zwischen den gestapelten Kisten führte. »Rotwein aus Capthia! Ganze Kisten davon! Seit letzten Winter konnte ich nichts davon bekommen, keine einzige Flasche!«
    Der schmale Pfad machte einen Bogen, verzweigte sich und führte in eine kleine Nische, in der wir drei gebückt kaum Platz fanden. Der Dockjunge bedeutete uns, aus dem Weg zu gehen; dann zerrte er an einem Stück des Bretterbodens. Ein Teil davon hob sich. Er war mit einem gezackten Rand ausgeschnitten, sodass er nicht zu erkennen war, wenn er auf dem Boden lag.
    Der Junge wies uns mit Zeichen an, in die Öffnung darunter zu steigen. Ich konnte erkennen, dass sie zu einem schmalen Tunnel hin abfiel, obwohl es dort kein Licht gab.
    Borund zögerte, blickte mich unsicher an.
    »Es ist sicher«, sagte ich. »Die Öffnung führt in einen Tunnel. Da unten ist niemand, und ich kann eine Laterne erkennen, die zum Anzünden bereitsteht.«
    Borund nickte, und mit leichten Schwierigkeiten gelang es ihm, in das Loch hinabzugleiten.
    Der Dockjunge starrte mich an. »Woher wusstest du, dass da eine Laterne ist?«, fragte er schließlich. »Es ist zu dunkel, um sie zu sehen.«
    Ich antwortete nicht, ließ mich nur behände hinter Borund in die Tiefe fallen, nachdem dieser den Weg frei gemacht hatte.Der Dockjunge folgte uns und reichte Borund die Laterne zusammen mit einer Glutbüchse, um sie anzuzünden. Die Kohle darin glomm noch heiß.
    Die Laterne flammte in dem Augenblick auf, in dem der Junge die Abdeckung des Tunnels wieder schloss. Er zwängte sich an mir und Borund vorbei und ergriff die Laterne. »Folgt mir.«
    Erst wurde der Tunnel schmaler, bis wir seitwärts gewandt laufen mussten, wobei der Rücken über die rau gemeißelte Wand schabte. Dann verzweigte der Gang sich nach links und rechts. Wir schlugen den linken Pfad ein. Nach zwanzig Schritten erkannte ich, dass die Mauer auf der rechten Seite dieselbe Eierschalenfarbe aufwies wie die Palastmauer, nur dunkler, nicht von der Sonne ausgebleicht wie oben. Linker Hand zweigten weitere Gänge ab, aber wir hielten uns weitere hundert Schritte geradeaus, bevor wir uns von der Palastmauer abkehrten. Nach zwei raschen Rechtsbiegungen stießen wir auf eine Treppe, die steil nach unten führte. Die Kurven und Kehren, die Dunkelheit und die schmalen Nischen erinnerten mich unweigerlich an den Siel.
    Als wir den Fuß der Treppe erreichten, drehte Borund sich um und murmelte mit gedämpfter Stimme: »Wir gehen unter den Palastmauern hindurch.«
    Nach zwanzig Schritten führte eine weitere Treppenflucht zu einer in die Decke eingelassenen Tür hinauf. Der Dockjunge

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