DIE ASSASSINE
nun hing sein Arm locker herab. Er grinste.
»Bei den Göttern, du bist schnell«, sagte er. »Jetzt komm wieder her. Ich zeig dir etwas Einfaches. Zum Beispiel, wie man einen Dolch richtig hält.«
»Ich will nicht«, erwiderte ich. Mein Herz pochte heftig, und meine Arme prickelten vor Furcht.
Ericks Grinsen schwand, wurde jäh verdrängt von dem harten und gefährlichen Blick, den ich bereits am Brunnen bei ihm gesehen hatte. Mit ausdrucksloser Miene fragte er: »Siehst du den Sack dort?«
Ich blickte auf den Sack, den er am Eingang zum Hof abgestellt hatte.
»Du bekommst nichts daraus, wenn du jetzt aufgibst. Und du bekommst auch später nichts mehr von mir, wenn du nicht bleibst.«
In noch immer kauernder Haltung starrte ich ihn trotzig an. Der Sack war nur ein paar Schritte von mir entfernt. Ich konnte ihn mir schnappen und verschwinden, ehe Erick sich richtig in Bewegung gesetzt hätte.
Aber dann müsste ich mich wieder auf den Siel und den mehlweißen Mann verlassen.
Mein zorniger Blick verfinsterte sich, doch ich stand auf, kehrte zur Mitte des Hofes zurück und blieb vor Erick stehen. Der bedrohliche Ausdruck in seinen Augen schwand.
»Also«, sagte er ruhig und gelassen. »Dann wollen wir mal sehen, wie du deinen Gardistendolch führst.«
Er zeigte mir, wie man einen Dolch hielt – verschiedene Griffe für verschiedene Stöße, Schnitte und Stiche – und worauf man zielte. Und man benutzte die Waffe nicht nur, um zu töten. Manchmal ging es bloß darum, einen Gegner außerGefecht zu setzen. Manchmal sollte nur ein Mal hinterlassen werden … eine Narbe, eine unauslöschliche Erinnerung. Dann erklärte Erick mir verschiedene Körperhaltungen, die dazu dienten, das Gleichgewicht zu wahren, oder zur Ablenkung, sodass ein Opfer nicht ahnte, dass sein Gegenüber einen Dolch hielt, bis es zu spät war.
Kurz nach Mittag legte Erick eine Pause ein und holte Brot, Käse und dicke Stücke gebratenes Schweinefleisch aus dem Sack hervor. Mein Magen knurrte beim Duft des Fleisches, und meine Augen weiteten sich. Fleisch war am Siel eine Seltenheit, sah man vom Fleisch der Ratten ab. Das hier aber war ein Festschmaus, und das Fleisch war saftig und zart.
Eine Stunde später verstaute Erick die Reste der Mahlzeit und schaute zur Sonne auf, ehe er sich wieder mir zuwandte.
»Und jetzt lass uns sehen, ob du etwas gelernt hast.«
Wie am Morgen dieses Tages stellten wir uns einander gegenüber; allerdings ließ Erick seinen Dolch diesmal beiseite. Ich jedoch hatte den meinen gezückt und hielt ihn so, wie Erick es mir beigebracht hatte.
»Greif mich an«, forderte er mich mit herausfordernd funkelnden Augen auf.
Ich beobachtete ihn und sah seine angespannten Muskeln, die erkennen ließen, dass er sofort zu handeln bereit war. Stirnrunzelnd packte ich den Dolchgriff fester; dann ließ ich mich unter die Oberfläche des Flusses gleiten.
Die Welt wurde grau, der Hintergrundlärm ringsum schwächer, bis nur noch Erick sich deutlich abzeichnete. Das einzige Geräusch, das ich jetzt noch vernahm, war sein Atem. Ich spürte, wie meine Muskeln sich entspannten, sah, wie Erick die Veränderung mit jähem Erstaunen bemerkte – und griff an.
Den ersten Stich wehrte Erick ab, indem er meinen Arm beiseite stieß und versuchte, mein Handgelenk zu packen. Ich entglitt ihm und wollte näher an ihn heran, um einen jener Angriffe zu landen, die wir an diesem Vormittag geübt hatten.Doch mit nichts anderem hatte Erick gerechnet. Ich sah seinen Gegenangriff einen Lidschlag zu spät, um etwas dagegen unternehmen zu können.
Seine Hand senkte sich auf meine Schulter, wobei er zurücktrat und mich mit einem kräftigen Ruck herumwirbelte. Ich stieß ein Knurren hervor, als sein anderer Arm sich um meinen Leib legte, mich an seinen Körper zog und mir den Dolcharm an die Seite presste. Ich wehrte mich mit wilder Wut, stieß mich mit den Füßen ab und knurrte erneut, als Ericks Griff stärker wurde …
Alles, was er mir beigebracht hatte, verschwand aus meiner Erinnerung, und die Instinkte übernahmen das Kommando. Ich trat ihm heftig auf den Fuß, riss gleichzeitig den Kopf herum und biss in die Hand, die meine Schulter festhielt.
»Du kleines Miststück!«, spie er hervor, stieß mich weg und stürzte zu Boden.
Ich huschte beiseite und brachte den Dolch wieder in Anschlag, hielt jedoch inne, als ich Erick lachen hörte.
Er lag auf dem Rücken und umklammerte seine Hand, die er sich auf die Brust drückte. Tränen
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