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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Betrunkenen unwillkürlich aufgefangen.
    Die anderen in der Gruppe lachten grölend, ehe sie ihren Kumpan vor Blutmals Opfer retteten. Schließlich winkten sie dem Mann und dem Wagenbesitzer zu und setzten ihren Weg fort.
    Blutmal überquerte die Straße und blieb an einer Gassenmündung stehen. Als die Meute der Betrunkenen an mir vorbeitaumelte, schien er zu spüren, dass er beobachtet wurde.
    Er schaute auf, und unsere Blicke begegneten sich.
    Ich nickte ihm mit einem schiefen Lächeln widerwilliger Anerkennung zu.
    Er antwortete, indem er eine hasserfüllte Miene aufsetzte.
    Ich wollte es ihm gerade mit einer derben Geste danken, als das kalte, weiße Warnfeuer, das sich in meiner Magengrube eingenistet hatte, so plötzlich und heftig aufloderte, dass mir ein eisiges Kribbeln über die Arme raste. Gleichzeitig durchlief ein Beben das Dunkelgrau und den gedämpften Wind, und schlagartig stieg mir der faulige Geruch von Blut, Schweiß und ranziger Butter in die Nase.
    Meine Augen weiteten sich, und ich wankte vor dem Gestank zurück, wobei ich spürte, wie die Welt aus Grau und Wind mir unter der Gewalt des Feuers zu entgleiten drohte. Bevor das Grau vollends entwich, streckte ich mich danach und hielt es fest. Das Grau verfestigte sich, und das Rauschen des Windes, das für einen Augenblick zu einem Brodeln Hunderter Stimmen angeschwollen war, verflachte wieder zu gedämpftem Gemurmel. Ich war kurz im Fluss aufgestiegen; nun sank ich wieder hinunter, zwar nicht so tief wie damals, als Blutmal den Sack gestohlen hatte, aber dennoch tiefer als sonst.
    Und ich verspürte die ersten Anzeichen von Übelkeit.
    Rasch schaute ich zu Blutmal, dessen Gestalt sich immer noch deutlich auf der gegenüberliegenden Seite des Siels abzeichnete. Seine finstere Miene hatte sich in einen Ausdruck der Verwirrung verwandelt, gepaart mit Argwohn. Der Beutel in seiner Hand schien vergessen. Wahrscheinlich fragte er sich, weshalb ich zurückgetaumelt war. Doch Blutmal spielte keine Rolle mehr. Nur noch das kalte, in meinen Eingeweiden flackernde Feuer zählte. Und der Gestank.
    Ich drehte mich diesem Pesthauch zu und atmete tief ein. Das Grau schwankte Übelkeit erregend, als ich mich bewegte, und verschwamm an den Rändern, doch es hielt.
    Als ich mich fast um die eigene Achse gedreht hatte und der Gestank so durchdringend wurde, dass ich glaubte, mich übergeben zu müssen, sah ich abermals das eigentümliche Zittern durch das Grau wabern, das nun einen rötlichen Ton angenommenhatte. Angestrengt bündelte ich alle Aufmerksamkeit darauf.
    Garrell Karren glitt aus dem wabernden Rot hervor.
    Fassungslos richtete ich mich auf. Meine Hand zuckte zu meinem Dolch. Dann aber erbebten das Grau und der Wind, und ich musste beides loslassen.
    Strudelnd strömte die Welt zurück, und der Lärm des Siels wurde schier überwältigend. Ich atmete in abgehackten Stößen, kämpfte gegen die überwältigende Übelkeit an und versuchte, Garrell nicht aus den Augen zu verlieren. Einen Lidschlag lang glaubte ich, den Kampf zu verlieren. Ich spürte, wie mir ätzende Galle die Kehle hinaufstieg, doch ich schluckte schwer und zwang sie mit einem gequälten Keuchen wieder hinunter.
    Dann setzte ich mich in Bewegung. Ich hatte so lange gebraucht, Garrell zu entdecken, dass ich ihn um keinen Preis mehr verlieren wollte. Doch augenblicklich durchströmte dieselbe zittrige Schwäche meine Beine, die mir zuletzt so sehr zu schaffen gemacht hatte. Ich bin nicht so tief eingetaucht! , dachte ich zornig und kämpfte gegen die Schwäche an, drängte sie entschlossen zurück, als ich mich durch die Menge schlängelte. Ohne die Klarsicht des Flusses konnte ich mich nicht so einfach durch die Menschenmassen bewegen, konnte ich die Wirbel und Strömungen nicht sehen. Ich fluchte, als ich über jemandes Fuß stolperte, und hörte, wie der Mann seinerseits fluchte. Dann sah ich, dass Garrell stehen geblieben war.
    Ich verharrte mitten auf dem Siel, so abrupt, dass ein älterer Mann beinahe gegen mich geprallt wäre. Mit einem Knurren wich er mir aus.
    Weiter vorn hatte Garrell in der Nähe einer Gassenmündung Halt gemacht und lehnte an der Mauerecke. Eine Frau hatte eine fleckige Decke auf dem Steinboden des Siels ausgebreitet und bot darauf zerbrochene, von ihr zusammengeflickte Töpferwaren feil. Ihre Tochter saß unmittelbar vor Garrell auf dem Rand der Decke und blickte auf ein dünnes, ausgebleichtesgrünes Tuch in ihrer Hand. Gelangweilt drehte sie es hin und her.

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