Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
Vom Netzwerk:
dem Gang. Avrell hatte gewusst, dass ich in dieser Nacht im Palast sein würde, doch er sollte nicht erfahren, wo genau ich gewesen war. Nun war ich aufgehalten worden. Doch ich musste in dem Wäscheschrank sein, wenn die Wachablösung erfolgte. Gelang mir das nicht …
    Entschlossen verdrängte ich den Gedanken.
    Dann rannte ich los.

V IERTES K APITEL
    N ein. Zurück, Varis. Versuch es noch einmal.« Der Fluss pulsierte in meinem Kopf. Schweiß rann mir in Strömen übers Gesicht. Ich hörte Ericks Befehl kaum – zu sehr galt meine Aufmerksamkeit Blutmals Augen und seinen Bewegungen. Auch sein Gesicht glänzte vor Schweiß, und das Haar klebte ihm in Strähnen an der Stirn. Seine Wangenmuskeln zuckten vor Zorn und Anstrengung, und er atmete in kurzen, heftigen Stößen durch die zusammengebissenen Zähne. Wir umkreisten einander auf dem behelfsmäßigen Übungshof. Das Licht schwand allmählich. Das Feuer in mir schlummerte, als wüsste es, dass dies hier nur ein Übungskampf war.
    Einen Lidschlag ehe Blutmal angriff, warnte mich ein Anschwellen der Strömungen. Sein Dolch zischte dicht an mir vorbei, als er den Arm in weitem Bogen schwang und mich aufzuschlitzen versuchte. Es war kein eleganter, geschmeidiger Streich – so waren Blutmals Bewegungen nie gewesen –, doch er kam blitzschnell und mit wilder Kraft. Ich sprang zurück. Kaum war die Klinge an meinem Körper vorbei, sprang ich so weit vor, dass Blutmal in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war, und setzte zu einem Schnitt quer über sein Gesicht an.
    Er fuhr zurück, und die Wut in seinen Augen loderte noch greller.
    »Treffer für Varis!«, rief Erick. »Zurück und Aufstellung! Blutmal, du beherrschst deine Bewegungen nicht! Die größte Kraft ist nutzlos, wenn man sie nicht lenken kann!«
    Erneut umkreisten wir einander. Die Wut hatte sich so tief in Blutmal eingenistet, dass er zitterte. Ich hatte bereits fünf Treffer gelandet; ihm waren nur zwei gelungen. Dazu kamen drei Unentschieden. Ich brauchte nur noch einen Treffer, um den Kampf zu gewinnen. In den drei Wochen unserer gemeinsamen Ausbildung war er nur ein einziges Mal Sieger geblieben.
    Ich wartete, beobachtete Blutmals Augen, spürte seine Bewegungen. Ich wusste, wenn ich lange genug wartete, würde er einen Angriff versuchen.
    Es dauerte nicht lange. Wie immer.
    Diesmal versuchte er, den Vorstoß beherrschter zu führen, nicht so wild und ungestüm; ich konnte es in seinen Augen erkennen. Ich wich zur Seite und versuchte unter seiner Deckung hindurch einen Gegenangriff, der auf seinen Oberkörper zielte, doch er wich seinerseits zur Seite und stach zurück. Sein Dolch zischte durch leere Luft. Ich wagte einen weiteren Ausfall, doch nun war er vorsichtig. Eine scheinbare Ewigkeit wechselten Finten, Paraden und Ausfälle einander ab, bis sich allmählich Ermüdung bemerkbar machte. Blutmals Wut gewann wieder die Oberhand, seine Vorsicht ließ nach. Seine Stöße wurden unregelmäßiger, wilder und ungezielter.
    Als ich der Meinung war, dass seine Wut sich ausreichend gesteigert hatte, heuchelte ich übertriebene Erschöpfung, stieß vor und stolperte, wodurch ich Blutmal die ungeschützte Körperseite darbot.
    Er stürzte sich begierig auf die vermeintliche Gelegenheit, sprang dicht an mich heran und stach jäh mit dem Dolch zu. Nur war ich nicht da. Stattdessen wirbelte ich herum, ließ mich schwer auf die Seite fallen, stieß den Dolch nach oben und schlug die flache Seite der Klinge gegen sein Bein. Ich grinste.
    »Treffer und Sieg für Varis!« In Ericks Stimme schwang verhaltener Respekt mit.
    Blutmal knurrte; dann ließ er sich mit einem hasserfüllten Aufschrei auf mich fallen. Seine Hand packte mein Hemd und riss es hoch, als er sich rittlings auf mich kauerte. Ich schnappte überrascht nach Luft und hörte Ericks Rufe: »Zurück! Hört auf! Auseinander!« Seine Stimme näherte sich, war aber noch ein gutes Stück entfernt. Blutmals Augen hatten all meine Aufmerksamkeit gefesselt; sein Dolch senkte sich auf meine Brust.
    Meine Hand schoss vor, packte sein Handgelenk und brachtees zum Stillstand. Unser beider Arme zitterten. Ich spürte tief in mir Wut aufflammen, heiß und kribbelnd.
    »Zurück!«, brüllte Erick erneut. Mittlerweile war er fast bei uns. Seine Stimme schnitt durch meine Wut, durchtrennte sie. Die Spannung in Blutmals Arm ließ nach, und er tat so, als wollte er sich zurückziehen.
    Ich entspannte mich.
    Dann fauchte Blutmal: »Miststück!«, jedoch zu leise,

Weitere Kostenlose Bücher