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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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vorwärts fegenden Feuer verzehrt. Dann erreichte es das Land, raste durch die Stadt. Als es auf uns zukam und Gebäude um Gebäude, Straße um Straße umhüllte, hörte ich, wie der Mann auf mir erstickt und voller Grauen die Luft einsog.
    Erst da wurde mir klar, dass es keine Geräusche gab. Das Feuer war vollkommen lautlos.
    In dem Augenblick, bevor es uns erreichte, in jenem Lidschlag, ehe es sich auf das Dach senkte, spürte auch ich die Klauen des Entsetzens. Mir stockte das Herz, mein Körper erstarrte …
    Dann war es über mir, durchströmte mich. Ich konnte fühlen, wie es sich tief in mich fraß, tiefer als die Angst, tiefer als das Grauen, tiefer als alles, was ich je zuvor erfahren hatte. Es brannte durch alles hindurch, ließ alles ungeschützt zurück.
    Durch das grelle Weiß sah ich den Mann auf mir, sah seine zerlumpte Kleidung, sein zerrissenes Hemd. Auf die Brust des Hemdes war einst etwas gestickt gewesen, ein Symbol. Die Stelle, an der die Stickerei herausgerissen worden war, war ausgefranst und löste sich auf.
    Der Geisterthron.
    Der Mann war Palastgardist gewesen.
    Ich schaute in sein Gesicht, das sich erstarrt vor dem Weiß abzeichnete. Seine Augen waren vor Entsetzen geweitet, und all seine Aufmerksamkeit war nach innen gerichtet. Sein Mund stand offen, als wäre er geschlagen worden. Krusten säumten seine Augenwinkel und seinen Mund, Schlamm verschmierte sein Haar.
    Ich spürte, wie sich Wut in mir aufbäumte wie eine Schlange. Heiße Wut. Blinde Wut.
    Dann sah ich den Dolch.
    Das Hemd des Mannes war aufgeknöpft, und die Waffe lagfrei. Ohne nachzudenken, packte ich den Dolch und zog ihn aus der Scheide – mit einer Schnelligkeit, die ich mir in den Tiefen jenseits des Siels angeeignet und verfeinert hatte, als ich bei Tauber und seiner Bande gewesen war.
    Dann zog das Feuer an uns vorüber. Jäh kehrte die Nacht zurück, hart und schmerzlich.
    Es folgte ein Augenblick der Stille, durchbrochen nur von den abgehackten Atemstößen des Mannes, der mir immer noch eine Hand auf die Brust presste, während die andere in den verhedderten Schnüren seines Hosenlatzes hing.
    Dann wich der Ausdruck des Grauens aus seinen Augen, und er wandte die Aufmerksamkeit wieder mir zu. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze nackter Gier. Seine Hand krallte sich auf meiner Brust zusammen, die Finger bohrten sich tiefer …
    Ich zog ihm den Dolch über die Brust. Ein schwarzes Band aus Blut quoll hervor, glänzend und glatt, und er fuhr hoch und taumelte zurück. Zu mehr ließ ich ihm keine Zeit. Ich stieß abermals zu, unbeholfen, doch umso entschlossener. Ich erwischte ihn am Arm und schlitzte ihn auf. Blut schoss hervor, spritzte mir heiß ins Gesicht und an den Hals. Wieder stach ich auf ihn ein, traf ihn am Oberschenkel, und diesmal schrie er. Ein grässlicher, tierhafter Schrei, der die Nacht erbeben ließ.
    Mein letzter Hieb erwischte ihn an der Kehle. Blut strömte seinen Hals hinunter, und er wankte zurück. Eine Hand fuhr hinauf zu der Wunde; mit der anderen krallte er hilflos durch die Luft, bis er mit dem Rücken an die Mauer prallte, gegen die er zuvor mich geschleudert hatte. Da stand er dann mit weit aufgerissenem Mund, mit blutverklebtem Hemd. Langsam rutschte er die Lehmziegel hinunter, bis er vor der Mauer saß. Sein Mund öffnete und schloss sich, und immer noch strömte das Blut. Kehlige, schnarrende Laute drangen aus seiner Kehle, abgehackt und zerrissen.
    Ich rollte mich weg. Er griff mit der freien Hand nach mir, bekam jedoch nur Luft zu fassen. Blut bedeckte die Hand anseiner Kehle, bis sie im Mondlicht nass glänzte. Zuckungen durchliefen die sich öffnenden und schließenden Finger der anderen, ausgestreckten Hand; ihre Bewegungen wurden langsamer. Noch immer Greifbewegungen vollführend, senkte sich die Hand, bis sie auf dem Boden zum Liegen kam. Krampfhaft zuckten die Finger, ehe sie erschlafften. Die Muskeln seiner Arme entspannten sich, und die andere Hand rutschte von seiner Kehle, hinterließ eine zweite Blutspur auf seinem Hemd und einen Fleck auf der Hose. Blut troff von seinen Fingerspitzen.
    Die kehligen, gurgelnden Laute hielten an, bis sie zu einem fiependen, keuchenden Luftholen wurden.
    Dann verstummte auch dieses Geräusch.
    Und ich flüchtete. Zurück in die Tiefen. Zurück zum Siel.
    Zurück zu meinem Unterschlupf, den Dolch noch fest umklammert.

    Auf dem Hof schlang Erick die Arme um meinen zitternden Körper, zog mich an sich, wiegte mich vor und zurück. Die

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