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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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spürte, wie er gegen meine Beckenknochen schabte …
    Dann schoss meine Hüfte mit einem jähen, stechenden Schmerz durch die Öffnung, und mein Oberkörper schlug auf der anderen Seite klatschend auf den Boden auf, während meine Beine noch im Wäscheschrank baumelten. Ich zog sie nach. Neuerliche Schmerzen schossen mir die Seiten empor, doch ich verdrängte sie und kauerte mich in der Nische nieder.
    Der Gang erwies sich in beiden Richtungen als verwaist. Allerdings konnte ich nun Stimmen hören, Gebrüll und das Poltern schwerer Stiefel. Jemand kam in meine Richtung gerannt.
    Ich huschte über den Flur zum Eingang des Audienzsaals. Die unbewachte Tür öffnete sich geräuschlos, jedoch sehr langsam, da das dicke Holz schwer war. Ich huschte hinein, zog die Tür hinter mir zu und drehte mich um.
    Ich befand mich im inneren Heiligtum des Palasts.
    Der sich anscheinend in ein Tollhaus verwandelt hatte.

Z EHNTES K APITEL
    W illiam stieß die Tür zu Borunds Arbeitszimmer mit solcher Kraft auf, dass sie gegen die Wand krachte und ihm beinahe ins Gesicht zurückgeprallt wäre. Ich hatte mich nahezu lautlos, mit gezücktem Dolch, durch den halben Raum bewegt, ehe ich ihn erkannte. Selbst nach zwei Monaten, die ich Borund mittlerweile bewachte, hatte ich mich noch nicht entspannt, wenn wir uns in seinem Haus aufhielten. Manche Gewohnheiten vom Siel sind nur schwer abzulegen.
    William stand in der Tür und starrte Borund an, wobei sein Mund sich öffnete und schloss.
    »Was ist?«, fragte Borund und erhob sich aus seinem Sitz hinter dem Schreibtisch. Seine Stimme klang fest, doch seit ich ihn bewachte, hatte ich gelernt, die Untertöne zu deuten. Diesmal zeugten sie von Beklommenheit, als wüsste oder ahnte er die Neuigkeiten bereits.
    William musste es ebenfalls bemerkt haben, denn seine Schultern sanken leicht herab, und er holte tief Luft. »Markus ist tot.«
    Ich blickte mit gerunzelter Stirn zu Boden und ging im Geiste rasch alle Händler durch, die ich kennengelernt hatte. Ich hatte Borund die vergangenen zwei Monate überallhin begleitet – auf Ausflügen zu den Lagerhäusern, zu den Docks, in die örtlichen Schänken und in die Gildenhalle zu Treffen mit Händlern, Kapitänen und Spitzeln. Dabei hatte ich Dutzende Händler kennengelernt, manche aus den Städten entlang der frigeanischen Küste, andere aus ferneren Orten wie Warawi, einer Stadt auf den südlichen Inseln.
    Anfangs hatte bei den Streifzügen gespannte Stimmung geherrscht, weil Borund einen weiteren Anschlag erwartete. Er war zum Palast gegangen, um sich bei Avrell zu beschweren,war jedoch von der Palastgarde abgefangen worden. Man hatte nach Baill geschickt und sich geweigert, Avrell oder auch nur dem Hofmarschall, Nathem, eine Botschaft zu übermitteln, ehe wir mit dem Hauptmann gesprochen hätten.
    Ich hatte die ganze Zeit mit bangem Gefühl ausgeharrt und verstohlen die Gardisten beobachtet, die durch das Tor der inneren Mauer kamen, hatte damit gerechnet, Erick zu sehen, hatte befürchtet, einer der Gardisten könnte plötzlich auf mich deuten und mich dann wegschleifen.
    Stattdessen war Baill in voller Rüstung eingetroffen. Sein kahler Schädel hatte im Sonnenlicht geglänzt. In dem Augenblick, als ich seine ausdruckslosen und unergründlichen Augen und die prangenden Narben in seinem harten Gesicht sah, wusste ich, dass man uns nicht zu Avrell oder Nathem vorlassen würde. Baill war wie eine Mauer, die wir niemals überwinden konnten.
    Borund hatte es ebenfalls gespürt. Ich sah, wie er die Schultern straffte und die Kiefermuskeln anspannte.
    Er berichtete Baill von dem Angriff in der Schänke, von dem Anschlag auf sein Leben und ließ sogar einen Hinweis auf Carl fallen.
    »Könnt Ihr das beweisen?«, hatte Baill gefragt. Seine Augen waren wachsam, und seine Aufmerksamkeit war ganz auf Borund und dessen Geschichte gerichtet. Er bemerkte alles – jedes Stirnrunzeln, jeden Blick, jede unruhige Gewichtsverlagerung.
    Dann deutete Borund auf mich. »Varis, meine Leibwächterin, hat Carl vor der Schänke gesehen und beobachtet, wie er den Befehl erteilte.«
    Baill richtete den Blick auf mich. Ich krümmte mich innerlich. Baill war der Mann, dem Erick unterstellt sein musste. Wenn Erick jemandem von mir erzählt hatte – und davon, wie ich Blutmal getötet hatte –, dann ihm, seinem Hauptmann.
    Aber in Baills Augen lag kein Erkennen. Nur derselbe durchdringende Blick, mit dem er schon Borund bedacht hatte. Alswürde er abwägen, ob ich eine

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