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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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sagte er, und seine Stimme war so kalt und glatt wie ein toter Fisch am Kai.
    »Meister Carl«, murmelte Borund. Von der Gefahr, die ich in seinen Augen gesehen hatte, war nichts zu spüren, als er die Hand ausstreckte und Carls Arm am Ellbogen ergriff, wie er es bei Markus getan hatte. Die Berührung währte nur kurz.
    Tief in mir spürte ich, wie das Feuer sich regte und wie mir ein Schauder über die Arme lief. Ich bewegte mich ein Stück vorwärts.
    »Wie mir zu Ohren kam, geht es in der Schänke zum Gebrochenen Mast ruppig zu«, sagte Carl.
    »Oh, damit komme ich zurecht.« Borund grinste. »Deshalb mag ich die Docks ja so sehr. Da geschieht immer etwas Unerwartetes.«
    Carls Augen huschten zu mir, musterten mich mit einem raschen, abwägenden Blick und kehrten dann langsamer zu Borund zurück. »Ja. Etwas ›Unerwartetes‹ scheint immer dann dazwischen zu kommen, wenn man am wenigsten damit rechnet.« In seinen Worten schwang ein Anflug von Säuerlichkeit mit. Dann jedoch änderte Carl den Tonfall. »Amenkor ist ein heißes Pflaster geworden. Da muss man manchmal ruppig sein, schon um zu überleben. Findet Ihr nicht auch, Meister Borund?«
    »Nein«, erwiderte Borund knapp und ließ zu, dass sein Zornseine Augen verdunkelte, offen und unverhohlen. »Nein, das finde ich nicht. Und Ruppigkeit wird auch nicht geduldet. Dafür wird die Regentin sorgen.«
    Carl schien überrascht, doch dann wurde sein Lächeln breiter.
    Die Feuerranke in mir züngelte höher, und meine Hand wanderte zu meinem Dolch. William spürte die Bewegung und entfernte sich ein Stück.
    »Ah, Borund«, murmelte Carl mit leiser Stimme. »Ich denke, Ihr setzt zu viel Vertrauen in die Regentin. Ich glaube nicht, dass sie noch über die Stadt herrscht. Habt Ihr noch nichts davon gehört? Die Regentin soll wahnsinnig geworden sein.«
    Borund schnaubte verächtlich. »Handelt Ihr neuerdings mit Gerüchten?« Schärfe schlich sich in seine Stimme. »Seid auf der Hut, Carl. Hier steht mehr auf dem Spiel als nur das Geschäft. Ihr handelt mit dem Leben der Stadt. Die Regentin wird von dem Überfall letzte Nacht erfahren.«
    Carl kicherte. »Ja, ja. Erzählt es ihr, so Ihr sie erreichen könnt. Doch um in den Palast zu gelangen, müsst Ihr an Hauptmann Baill und seinen Gardisten vorbei. Und dann sind Eure Aussichten, Avrell zu sehen – geschweige denn die Regentin –, sehr gering. Früher war es nie so schwierig, die Regentin zu erreichen. Warum? Das frage ich mich. Und was die Stadt angeht …« Carl beugte sich vor, wobei sein Blick düster und verkniffen wurde. Das Feuer in mir loderte auf, und ich trat vor, stellte mich neben Borund, die Hand auf dem Dolch, der an meiner Seite verborgen war.
    Carl zuckte nicht einmal, ließ den Blick fest auf Borund gerichtet.
    »Ihr würdet gut daran tun, die Stadt still und leise zu verlassen, Meister Borund. Das Machtgefüge verschiebt sich, seit das Feuer durch Amenkor gefegt ist. Einmal seid Ihr noch davongekommen. Doch ich würde nicht bleiben und abwarten, ob das erneut geschieht.«
    Damit wich Carl zurück, lächelte mit schmalen Lippen undstreckte die Hand aus, um nicht vorhandene Fusseln von Borunds Schulter zu wischen. Ich ließ ihn mit einem Blick und einer leichten Gewichtsverlagerung innehalten.
    Sein Lächeln verblasste.
    Dann entfernte er sich und vertiefte sich in ein Gespräch mit einem anderen Händler. Sein Lachen über irgendeine Bemerkung des Mannes klang laut und dröhnend über die Gespräche in der Halle hinweg. Der Händler blickte verwirrt drein, doch Carl legte ihm die Hand auf den Rücken und führte ihn davon, den Kopf dicht zu dem des anderen Mannes geneigt.
    Einmal schaute er zurück und lächelte selbstzufrieden.
    Dann verlor er sich in der Menge.
    Hinter mir bebte Borund vor unterdrückter Wut.

D ER P ALAST
    I ch stand mit dem Rücken gegen die Wand gepresst, die einst die Granitmauer vor einer Bogenschützennische gewesen war, und überlegte mir fieberhaft, was ich jetzt tun sollte, als plötzlich vom Gang auf der anderen Seite des kleinen Fensters eilige Schritte ertönten.
    Ich duckte mich zu der Öffnung hinab und spähte gerade noch rechtzeitig hindurch, um zu sehen, wie die beiden Gardisten vor der Tür, die sie bewachten, Habachthaltung einnahmen. Es war ihnen kaum gelungen, sich zu fassen, als ein weiterer Gardist erschien, der sich fast im Laufschritt näherte.
    Ich sah ihn erst, kurz bevor er die beiden Posten erreichte. Schaudernd wich ich vom Fenster zurück.
    Der

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