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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Bedrohung oder lediglich ein Ärgernis darstellte.
    »Was genau hast du gesehen?«, fragte er mich dann mit tiefer Stimme, die wie Donner grollte.
    Ich berichtete ihm von dem Hass in Carls Augen und dem Nicken.
    Baill grunzte und wandte sich Borund zu. »Ich kann niemanden nur wegen eines Blicks und eines Nickens verhaften lassen.«
    Dann wandte er sich und ließ uns stehen. Er hatte die Angelegenheit bereits aus seinen Gedanken verdrängt. In jenem flüchtigen Augenblick, als er sich wegdrehte, sah ich etwas in seinen Augen. Angst, Besorgnis, Unsicherheit. Nur ein kurzes Aufflackern – im einen Moment war es noch da, im nächsten Moment war es verschwunden.
    Borund schaute Baill entsetzt nach.
    Dann beschwerte er sich erneut bei den Gardisten, doch es gab keinen Beweis dafür, dass der Angriff in der Schänke etwas anderes gewesen war als ein versuchter Diebstahl, der schlimm geendet hatte – etwas, das geschehen war, weil ein reicher Mann sich an einem Ort herumgetrieben hatte, an dem er nicht hätte sein sollen. Und da keine weiteren Übergriffe gegen Borund erfolgt waren, wurde die Angelegenheit von der Garde verworfen.
    Die Regentin wurde nicht darüber in Kenntnis gesetzt. Jeder Versuch, sie, Avrell oder jemanden von Avrells Stab zu sprechen, wurde von Baill und den Gardisten unterbunden. Der Zugang zum Palast war gesperrt worden. Auf Anordnung der Regentin.
    Zwei Wochen verstrichen, ohne dass sich etwas Verdächtiges ereignete, während Borund seinen Geschäften nachging. Keine angedeuteten Drohungen außer durch Worte in der Gildenhalle. Niemand verfolgte Borund oder William auf den Straßen zwischen Borunds Haus, dem Kai und dem Lagerhausviertel.
    Nach einiger Zeit fiel die Anspannung von Borund ab, under dachte sich, dass Baill recht haben könnte und eine Leibwächterin vielleicht unnötig war.
    Doch er trat nicht an mich heran, um mir zu sagen, dass meine Dienste nicht mehr benötigt würden. Stattdessen betrachtete er mich mit sorgenvollem Blick, als wüsste er nicht, was er mit mir anfangen sollte, als wollte er mich entlassen, brächte es aber nicht übers Herz.
    Dann hatten die Angriffe auf andere Händler begonnen. Alle wurden als Unfälle oder Raubüberfälle betrachtet. Und alle stanken nach etwas anderem.
    Borund redete nicht mehr davon, mich zu entlassen. Er besprach die Lage – Baill, die Anschläge, die Bedrohung – mit William. Wir alle wussten, wer dahintersteckte. Nur konnte nichts bewiesen werden.
    Borund kehrte trotzdem zum Palast zurück, traf sich erneut mit Baill, doch die Antwort blieb dieselbe. Es gab nicht genug, um Baill zu überzeugen, dass es sich nicht bloß um willkürliche Angriffe handelte. Das war vor vier Wochen gewesen, nach dem zweiten Todesfall. Hauptmann Baill hatte sich dabei so kurz angebunden und herablassend gegeben, dass Borund sich die Mühe eines weiteren Versuchs ersparte, als der dritte Händler starb. Die Palastgarde würde nicht helfen.
    Markus. Plötzlich erinnerte ich mich an den Mann im dunkelblauen Mantel in der Händlergilde. Den mit den Grübchen. Den, der keine Gewürze wollte. Aus Marlett.
    Mittlerweile beschränkten die Anschläge sich nicht mehr auf die Händler Amenkors. Sie hatten sich auf Händler aus anderen Städten entlang der Küste ausgeweitet.
    Ich hörte etwas Schweres wie ein totes Gewicht aufschlagen und schaute auf. Borund hatte sich auf den Stuhl zurückfallen lassen.
    »Markus?« Mit ausdrucksloser Miene starrte er auf das Papier vor sich; dann wiederholte er: »Markus?«
    William betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich.
    Bei dem leisen Geräusch schaute Borund auf, ließ die Handfläche auf den Schreibtisch niedersausen und richtete sich im Stuhl auf. »Das ist der Vierte seit dem Anschlag in der Schänke. Und er war nicht einmal aus Amenkor. Dieser Händlerkrieg geht zu weit. Er muss enden.«
    »Er wird nicht enden«, sagte ich.
    William und Borund sahen mich an. Ich sprach selten, hielt mich im Hintergrund, mischte mich nicht ein, vor allem nicht, wenn es um Borunds Geschäfte ging, es sei denn, er oder William richtete eine bestimmte Frage an mich.
    Aber hierbei ging es nicht um sein Geschäft. Zumindest nicht um seine gewöhnlichen Geschäfte.
    Borunds Blick begegnete dem meinen. Sein Mund verzog sich zu einer verkniffenen Miene. Er wollte nicht glauben, was ich gesagt hatte, wollte nicht wahrhaben, dass Amenkor so sehr verkommen war.
    »Das kann ich nicht zulassen«, sagte er entschieden. »Er muss enden. Diese Sache

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