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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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könnten wahr sein!«
    Avrell erstarrte. Sein Gesicht verhärtete sich, und in seinen Augen lag plötzlich waches Interesse. Zum ersten Mal schien seine gesamte Aufmerksamkeit ausschließlich Borund zu gelten.»Die Regentin ist heute nicht verfügbar«, erwiderte er, ohne die Stimme zu heben. »Und ich selbst bin überaus beschäftigt. Wie Ihr wisst, befinden sich die Küstenstädte in einem Zustand der Ungewissheit. Niemand kann sagen, was es zu bedeuten hat, dass vor sechs Jahren das Weiße Feuer aufgetreten ist. Nun ist die Verbindung zu Kandish und den anderen Ländern jenseits der Berge abgebrochen, und der Winter naht … Es ist eine schwierige Zeit. Als Händler der Gilde versteht Ihr das doch sicher, oder?«
    Borund seufzte. »Selbstverständlich. Das Geschäft ist in letzter Zeit hart. Eben deshalb wollte ich ja mit Euch sprechen. Verzeiht meine Verärgerung, aber Hauptmann Baill …« Borund verstummte und schüttelte leicht den Kopf.
    Avrells Haltung entspannte sich unmerklich. Borund schien es nicht aufzufallen. Der Oberhofmarschall wirkte erleichtert.
    In beiläufigem Tonfall hakte er nach: »Baill?«
    »Ja, Hauptmann Baill«, sagte Borund knapp.
    »Er hat mir gar nicht mitgeteilt, dass Ihr zuvor schon zum Palast gekommen seid, um mich in Angelegenheiten der Gilde zu sprechen.«
    Borund zuckte zusammen. »Das hat nicht unmittelbar mit der Gilde zu tun. Die Gilde habe ich als Vorwand benutzt, um Zugang in den Palast zu erhalten. Zu Euch.«
    Zuerst zeigte Avrell keine Regung. »Ich verstehe«, meinte er dann. Verwirrt legte er die Stirn in Falten. »Weshalb wolltet Ihr mich oder die Regentin dann sehen, wenn es nicht um die Gilde ging?«
    Borund zögerte, warf einen kurzen Blick zu William und mir und straffte die Schultern. »Kann ich darauf vertrauen, dass Ihr dies der Regentin zur Kenntnis bringen werdet?«
    »Natürlich.«
    Borund nickte erleichtert. »Ein weiterer Händler ist gestorben. Meister Markus, ein Vertreter Marletts.«
    Ich spürte, wie die Luft im Raum vor Spannung knisterte.
    »›Ein ›weiterer‹ Händler?«
    Ungläubig starrte Borund den Oberhofmarschall an. »Ja. Es hat in der letzten Zeit mehrere unerklärliche Todesfälle unter den Händlern der Stadt gegeben. Alle auf gewaltsame Weise. Ich dachte, man hätte Euch davon in Kenntnis gesetzt.«
    »Ich hätte davon in Kenntnis gesetzt werden sollen «, gab Avrell in schroffem Tonfall zurück. Einen Augenblick lang starrte er an eine kahle Wand, mit abwesendem Blick, als betrachte er irgendetwas tiefer im Innern des Palasts. Unbemerkt von Borund und William bildeten seine Lippen das Wort ›Baill‹, als stieße er einen leisen Fluch aus. »Hauptmann Baill hat mir Eure … Beschwerden nicht mitgeteilt«, erklärte der Oberhofmarschall. »Ebenso wenig die Tode anderer Händler. Wann ist das geschehen? Und wie?«
    Borund seufzte. »Markus’ Leichnam wurde heute Morgen im Hafen gefunden, mit einer Dolchwunde an der Kehle.«
    »Und es gibt weitere Tote? Wie viele?«
    »Insgesamt vier.«
    Die Augen des Oberhofmarschalls wurden schmal. »Vier? Dann ist Amenkor in letzter Zeit für Händler überaus gefährlich geworden.«
    Borund stieß ein kurzes, humorloses Lachen aus; dann bemerkte er den durchdringenden Blick des Oberhofmarschalls und verstummte. Die beiden beobachteten einander eine Weile, und irgendein wortloser Austausch fand zwischen ihnen statt. Borunds Miene wurde verkniffen.
    Schließlich rührte sich der Oberhofmarschall. »Danke, Meister Borund. Ich werde sehen, was sich tun lässt. Leider muss ich sagen, dass ich in letzter Zeit von anderen Dingen in Zusammenhang mit dem Thron abgelenkt war. Aber vielleicht darf ich Euch beizeiten einen Besuch abstatten, damit wir dieses Problem«, er warf einen flüchtigen Blick auf mich, »und vielleicht noch ein paar andere Dinge eingehender erörtern können. Wie steht es damit?«
    Borund zögerte; dann nickte er. »Ich danke Euch.« Er war nicht völlig zufrieden, das schwang in seinem Tonfall deutlich mit, doch er gab William, der neben ihm stand, ein Zeichen. Auch William nickte.
    Der Oberhofmarschall erwiderte die Geste. Dann wandte er sich zum Gehen, jedoch nicht, ohne einen weiteren Blick in meine Richtung zu werfen.
    Ich rührte mich nicht, bewahrte eine ausdruckslose Miene und starre Haltung.
    Ein leichtes Lächeln spielte um die Mundwinkel des Oberhofmarschalls, ehe er durch den Türbogen in den nächsten Raum trat. Irgendwie wirkte er zufrieden, als wäre ein nagendes Problem, das

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