Die Assassinen-Prinzessin (German Edition)
Spiel hatte ihr kleiner Bruder früher sehr gerne gespielt – ergaben sie: Tarsin verlässt Heimat. Da Altyra allerdings nicht den geringsten Hinweis darauf gefunden hatte, wohin der Junge gebracht worden war, blieb ihr endgültig keine andere Wahl mehr. Sie musste den Auftrag des unbekannten Mannes erfüllen, der in ihrer Vorstellung noch immer fett war. Daher hatte sie sich mit ihrer Stute Schneeflocke auf den Weg nach Dangverun gemacht, wo sich die Residenz des Magiers Xardan Sturmklinge befand. Sie ritt ein ganzes Stück abseits der Hauptstraße am Rand des großen Waldes, der das Zentrum des palderanischen Reiches bedeckte. Dadurch wollte sie möglichst ungesehen bleiben, konnte hingegen selbst die Straße jederzeit genau einsehen.
Es war gerade einmal Mittag, weshalb die junge Fürstin in gewöhnlicher Reitkleidung – einer Hose aus weichem Leder, einer schlichten Stoffbluse und einer ledernen Weste – unterwegs war. Ihre einzige Bewaffnung stellten ein einfacher Dolch an ihrem Gürtel und ein Reiter-Kurzbogen mit einem großen Köcher voller Pfeile dar. Ihre Assassinenausrüstung hatte sie abgesehen von dem Kampfstab – dieser war unter der zum Sattel gehörigen Reitdecke verborgen – vollständig in ihren Satteltaschen verstaut. Ansonsten trug sie außer einem Beutel voller Gold- und Silberstücke nichts bei sich.
Als die Königsstadt von Palderan schließlich in Sichtweite kam und Altyra den Wald verlassen musste, um sich auf eine der beiden Straßen zu begeben, die in die Stadt hineinführten, entschied sie sich für die südliche Hauptverbindungsstraße des Reiches. Denn auf ihr konnte sie bis kurz vor Dangverun im Schutz der Bäume und des Schlangengebirges reisen.
Außerdem kann es nicht schaden, wenn die Wachen denken, dass ich tatsächlich aus dem Süden komme
, fügte die junge Fürstin dieser Überlegung hinzu.
Sie ritt also aus dem unmittelbaren Schutz der Bäume hinaus, begab sich auf die gepflasterte Straße und folgte deren Verlauf zum Südtor der Königsstadt.
"Nennt mir Euren Namen, Euer Handwerk und Euer Begehr!", wurde sie dort von einem der Wachsoldaten aufgefordert.
"Weshalb?", rutschte Altyra eine Frage heraus.
"Weil das Gesetz des Königs verlangt, dass jeder Mensch, der Dangverun betritt, registriert wird, Weib", antwortete der Wächter unfreundlich. "Wenn Euch das nicht passt, könnt Ihr gerne umdrehen und von hier verschwinden."
Die junge Fürstin musste sich sehr beherrschen, um den ungehobelten Klotz nicht zurechtzuweisen.
Du bist gerade keine Adelige
, rief sie sich in Erinnerung.
Schnell, ein Name!
"Mein Name lautet Lyrdina Windpfeil und wie man zweifelsfrei erkennen kann, bin ich Jägerin. Die Stadt möchte ich betreten, um Handel zu betreiben."
"Ich sehe weder Felle noch sonst irgendetwas, womit sich Handel betreiben ließe", stellte der Wachsoldat weiterhin unfreundlich fest.
"Das kommt daher, dass ich die Tiere, deren Fell ich verkaufen will, noch nicht erlegt habe", antwortete Altyra beherrscht, wobei sie das Anhängsel
Dummkopf
gewaltsam unterdrücken musste. "Ich muss zuerst Preise aushandeln, um zu sehen, welche Beute sich lohnt."
Glücklicherweise hatte sie tatsächlich ein wenig Ahnung vom Jägerdasein, sodass sie für diese Erklärung nicht einmal nachdenken musste.
"Habt Ihr außer Eurem Dolch und Eurem Bogen weitere Waffen bei Euch?", wollte ihr Gegenüber, der ihre Geschichte nun scheinbar akzeptierte, als nächstes wissen.
"Nein, keine Waffen – nur das Werkzeug, das ich zum Ausweiden meiner Beute benötige."
Wenn du meine Taschen durchsuchen willst, bringe ich dich um!
, fügte die junge Fürstin ihren Worten in Gedanken hinzu.
"Zeigt mir, was in Euren Taschen ist!", verlangte der Wächter prompt.
Verdammt, was jetzt?
Altyra, die während der gesamten Unterhaltung nicht von ihrem Pferd abgestiegen war, drehte sich betont langsam um und machte sich daran, eine ihrer Taschen zu öffnen. Dabei überlegte sie angestrengt, wie sie aus dieser Situation herauskommen sollte.
"Was ist das?", fragte der Wachsoldat misstrauisch, als er die schwarzen Stoffstücke zu Gesicht bekam, die sich ganz oben in der Tasche befanden.
"Meine Kleidung für die Jagd bei Nacht natürlich", erklärte die junge Fürstin in einem Tonfall, als wäre diese Antwort eine Selbstverständlichkeit. "Schließlich will ich nicht, dass mir meine Beute entgeht, nur weil ich zu auffällig angezogen bin."
"Was ist darunter?"
"Nichts."
Altyras Gedanken waren in dem Moment nicht
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