Die Assistentin
und durchquerte den Raum. Ihr war eine Idee gekommen, und sie brauchte etwas Abstand, um in Ruhe darüber nachdenken zu können. Sie zweifelte nicht an seiner Geschichte. Was hätte er davon, wenn er sie deswegen belog? Es war zwar schwer vorstellbar, dass jemand zu so extremen Mitteln griff, um ein Straßenkind davor zu bewahren, ausgebeutet zu werden, aber es war schließlich sein Leben, nicht ihres. Und das Leben auf der Straße brachte die Kids tatsächlich um. Sie hatte es selbst gesehen. Sie und Darwin hatten großes Glück gehabt, nicht in
dieser
Statistik aufzutauchen.
“Was machst du da?” Er klang gereizt und ungeduldig. Vielleicht liegt das am Schmerz, sagte sie sich.
“Ich denke nach”, erwiderte sie. Dann drehte sie sich um. “Ich habe über uns nachgedacht. Ich will, dass wir uns verbünden. Jemand hat es auf uns beide abgesehen, und vielleicht gibt es da eine Verbindung. Wir sollten zusammenarbeiten.”
Ungläubig schüttelte er den Kopf.
Sie ging wieder zu ihm. “Ich brauche deine Hilfe.”
“Warum sollte ich dir helfen?”
“Warum hast du mir damals geholfen?” Sie starrte ihm direkt in die Augen und wartete auf eine Antwort. Er sah nicht aus wie einer von den Guten, selbst jetzt, wo sie wusste, was er für sie getan hatte. Aber mit seiner Erfahrung als Ermittler war er das Beste, was ihr passieren konnte. Möglicherweise blieb ihr auch gar keine andere Wahl.
Er schien über ihre Frage nachzudenken, und sie wollte eine Antwort. Was hatte er damals in ihr gesehen, dass er sie retten wollte? Warum war sie es wert gewesen, beschützt zu werden? Was bedeutete sie für ihn?
Schließlich sagte er: “Ich werde dir ein Alibi geben für den Morgen, an dem Seth Black starb. Das ist es doch, was du willst, oder?”
Sie seufzte. “Das Alibi ist nur ein Teil. Ich muss herausfinden, wer meine Kunden angreift und versucht, mir einen Mord in die Schuhe zu schieben. Irgendein Teufel ist da am Werk. Und sieh mich nicht so an”, fügte sie hinzu, als er sie skeptisch anblickte. “Du bist auch eines seiner Ziele.”
“Du brauchst Ruhe.” Er stemmte sich vom Sessel hoch und verzog das Gesicht. “Und ich auch. Das Ziel wird jetzt ein Schläfchen halten. Ich schlage vor, das tust du jetzt auch – bei dir zu Hause.”
Sie beobachtete, wie er durch das Wohnzimmer humpelte, eine Hand an die Seite gepresst. “Du lehnst mein Angebot ab? Du willst meine Hilfe nicht? Du bist verrückt”, sagte sie wütend. “Sieh dich doch an. Du kannst ja kaum laufen.”
Er verschwand im Flur, und sie erreichte sein Schlafzimmer gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie er sich, stöhnend vor Schmerzen, auf dem Bett ausstreckte. Er war eingeschlafen, kaum dass der Kopf das Kissen berührte. Sie dachte daran, ihn wieder aufzuwecken, entschied sich aber dagegen. Er hatte Blut verloren und musste sich tatsächlich dringend ausruhen.
Lane fasste einen raschen Entschluss. Entscheidungsfreude war eine Voraussetzung für ihren Beruf. Sie würde die verwüstete Wohnung nach Hinweisen auf die Identität der Eindringlinge durchsuchen. Sie brauchte nicht darauf zu achten, ob sie wichtige Spuren vernichtete, denn Rick hatte ja bereits klargestellt, dass er die Polizei nicht rufen würde. Sie würde ihm helfen, egal, ob er das wollte oder nicht.
Eine halbe Stunde später war sie im Wohnzimmer fertig. Sie hatte das Blut aufgewischt, obwohl sie wusste, dass sie damit vermutlich Fingerabdrücke zerstörte. Aber es ging nicht anders. Sie stellte alles zurück an seinen Platz und machte sich dann im Rest des Hauses an die Arbeit. Auch hier war alles durchwühlt worden. Rick hatte es nicht zugegeben, aber sie war sich inzwischen fast sicher, dass die Männer nach den Beweisen aus der Hunting Lodge gesucht hatten. Sie fragte sich, ob die Sachen tatsächlich hier gewesen waren, und wenn ja, ob sie sie gefunden hatten. Doch das konnte ihr nur Rick beantworten.
Sie ging von Raum zu Raum und hielt nach Hinweisen auf die Identität der Eindringlinge Ausschau. Sie zerbrach sich den Kopf und versuchte, sich an die Männer zu erinnern, die sie in ihrer Zeit in der Lodge gesehen hatte, aber über die Jahre waren so viele gekommen und gegangen. Wenn sie die Fotos sehen würde, könnte sie vielleicht den einen oder anderen identifizieren.
Sie hatte sich immer gefragt, ob der Mann, der versucht hatte, sie zu belästigen, auch auf den Bildern zu sehen war. Sie würde sein Gesicht nie vergessen. Er war nachts in ihr Zimmer geschlüpft, und einmal
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